03 - komplett
Bruder aufzusuchen pflegte, nach seiner Kutsche Ausschau zu halten.
„Dürfte ich warten?“ Rachel wies auf den Sessel in der Halle, auf dem sie schon einmal gesessen hatte. Es schien eine Ewigkeit her zu sein. So viel war in der Zwischenzeit geschehen.
„Aber selbstverständlich! Kommen Sie mit mir in den Rosa Salon und suchen Sie sich einen bequemen Sessel aus“, empfahl Jospeh ihr fürsorglich. „Lady Davenport hält sich dort am liebsten auf“, vertraute er ihr an und führte sie zu einer Tür einige Meter entfernt. „Sobald Mr. und Mrs. Saunders erscheinen, werde ich sie zu Ihnen führen. Ich bringe Ihnen inzwischen Tee ...“
„Nein! Bitte machen Sie sich keine Umstände, Joseph“, rief Rachel schnell. Wenn ihr Plan Erfolg haben sollte, musste sie allein bleiben und durfte nicht jeden Moment fürchten, er könnte sich zu ihr gesellen.
Mit einer höflichen Verbeugung war Joseph wieder an der Tür und schloss sie leise hinter sich. Rachel ließ sich erst einmal zitternd in einen der rosafarbenen Sessel sinken. Zunächst empfand sie nur Erleichterung darüber, dass es ihr tatsächlich gelungen war, unter einem so fadenscheinigen Vorwand ins Haus zu gelangen. Sie hatte es geschafft! „Bitte, lass Joseph nicht meinetwegen Schwierigkeiten bekommen“, flüsterte sie mit bebenden Lippen.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, ihre Handflächen waren feucht. Es wunderte sie, dass dem Butler nicht aufgefallen sein sollte, wie aufgeregt sie war. Immerhin hatte sie Joseph kein einziges Mal angelogen. Sein Herr wünschte wirklich ihre Anwesenheit, der Lüstling, und sie hatte sich nur erkundigt, ob die Saunders schon da seien, nicht behauptet, dass sie mit ihnen rechnete.
Entschlossen sah sie sich um. Sie durfte keine Zeit mehr verlieren. Doch ein wenig musste sie noch warten, bis sie sicher sein konnte, dass Joseph sich wieder um seine Pflichten kümmerte. Erst dann würde sie es wagen, wieder in den Flur zurückzukehren. Sie konnte sich keinen Fehler erlauben, denn es blieb ihr nur ein Versuch, um ihren Plan auszuführen.
Ein Blick auf die Standuhr zeigte ihr, wann zehn Minuten vergangen waren. Es ging jetzt auf zwanzig nach acht zu. Rachel sprang auf, erreichte auf leisen Sohlen die Tür und legte das Ohr an das Holz. Kein Geräusch war zu vernehmen, nur das schnelle Klopfen ihres Herzens. Sehr langsam drehte sie den Knauf und öffnete die Tür einen Zoll ... und noch einen und noch einen, bis sie die Eingangshalle überblicken und sich versichern konnte, dass sie leer war.
Gerade stand sie im Begriff, hinauszuschlüpfen, da hörte sie plötzlich Schritte und Männerstimmen. Hastig zuckte sie zurück und schloss die Tür bis auf einen winzigen Spalt.
Joseph Walsh und ein livrierter Lakai gingen auf den Ausgang zu. Der Lakai lauschte den Anweisungen des Butlers, nickte schließlich und verließ das Haus. Plötzlich wusste Rachel, warum. Natürlich! Der Butler, verwirrt über die unerklärliche Nachlässigkeit seines Herrn, schickte jemanden aus, ihn zu suchen und nach Hause zu bringen.
Entsetzt presste sie die Hand auf den Mund, um nicht aufzustöhnen. Sie schloss die Tür ganz und lehnte sich voller Panik dagegen. Denk nach, denk nach! wies sie sich verzweifelt an.
Es würde sicher eine Weile vergehen, bevor man Lord Devanes Aufenthaltsort ausmachen konnte. Zeit genug blieb ihr also. Sie musste nur ohne weitere Säumnis handeln.
Wieder wartete sie die Zeit, die Joseph vielleicht brauchen könnte, um wieder in den Küchengefilden zu verschwinden, während ihr das Herz wild klopfte. Dann öffnete sie erneut behutsam die Tür.
Sie hatte sich geirrt! Joseph war nicht fort. Der Anblick, der sich Rachel bot, ließ ihr den Atem stocken. Fassungslos sah sie, wie der Butler einen Besucher einließ, der bis vor Kurzem noch unter ihm gedient hatte.
Sam Smith und er unterhielten sich freundlich, während sie dicht am Rosa Salon vorbeikamen, und so entging ihnen, wie dessen Tür leise zugedrückt wurde.
Rachel wartete angespannt und sehnte den Augenblick herbei, wenn die Schritte verstummt sein würden und sie die Tür wieder öffnen konnte. Die Minuten vergingen, während ihr nichts anderes übrig blieb, als stocksteif auf dem Sessel zu sitzen und zu überlegen.
Was hatte Sam hier zu suchen? Erschrocken kam ihr der Gedanke, er wäre gekommen, um ihr von irgendeinem Unglück zu berichten, das während ihrer Abwesenheit in Beaulieu Gardens geschehen war. Aber dann wurde ihr klar, dass sie sie bereits im Salon
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