03 - komplett
offenen Tür zum Rosa Salon stand. Man hatte Lampen entzündet, und ein schwacher Schein beleuchtete diesen Teil der Halle. „Soll ich mich geehrt fühlen, dass Sie persönlich gekommen sind, um mich in Haft zu nehmen?“, fragte Sam mit grimmiger Unverschämtheit.
„Ja, das solltest du in der Tat, junger Mann“, erwiderte Arthur Goodwin. Seine Stimme klang so seidenweich wie die amtliche Robe, in der er herumstolzierte. Sein Haupt zierte heute keine Perücke. Man sah nur zwei mausgraue Haarbüschel an den Seiten und die kahle Stelle dazwischen, die ölig unter dem Schein der Wandleuchter glänzte. „Du reißt mich von meinem Abendessen fort und von meiner wohlverdienten Ruhe mit meiner geliebten Gattin. Aber ich bin dir nicht böse. Nein, nein. Ich gestehe, ich bin begeistert, dass sich unsere Wege unter diesen ...
vielverheißenden Umständen ein weiteres Mal kreuzen“, meinte er zufrieden und machte einige gemächliche Schritte. Dann wandte er sich um und betrachtete belustigt sein in die Enge getriebenes Opfer, während er genüsslich überlegte, wie er es am besten quälen sollte.
In seinem Bemühen, die Kleine mit dem Engelsgesicht zu besitzen, hatte dieser freche Junge ihn auf unverschämte Weise an der Nase herumgeführt. Er hatte ihn –
einen Richter! – beleidigt und verhöhnt. Jetzt würde der respektlose junge Hund dafür zahlen! Genau wie jene falsche Unschuld, wenn er sie endlich in die Finger bekam. Und sollte sie tatsächlich noch eine Unschuld sein ... umso besser.
„Ich hielt mich glücklicherweise noch im Gerichtsgebäude auf, als Weekes mit der Nachricht erschien, dass ein gewisser Sam Smith auf frischer Tat dabei ertappt worden war, wie er den Earl of Devane bestahl. Und weißt du, was mir als Erstes durch den Kopf ging? Wie viel ich doch darum gegeben hätte, dich so zu erleben –
gefesselt und eines Verbrechens überführt und, da bin ich sicher, so unglaublich bereit, mir alles zu geben, was ich nur will, damit ich etwas Nachsicht mit dir zeige.“
„Gehen Sie zum Teufel. Ich will keinen Gefallen von Ihnen.“
Arthur Goodwin entblößte die gelb verfärbten Zähne. „Oh, ich denke schon. Weil es nämlich jetzt in meiner Hand liegt, ob du zum Teufel gehst oder nicht.“
Sam wandte verächtlich den Blick ab und ließ ihn auf der kleinen Gruppe von Bediensteten ruhen, die weiter entfernt im Gang standen und miteinander tuschelten. Er war wütend auf sich, weil er nicht lange genug überlegt hatte, um die Folgen zu bedenken, falls man ihn fassen sollte. Er schämte sich, dass er zum ersten Mal in seinem Leben, seit seine Mutter gestorben war, eine andere Frau über Annie gestellt hatte. Als er sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatte, waren seine Gedanken nur bei Noreen gewesen. Selbst jetzt dachte er an sie. Er war nicht Manns genug für sie. Er würde sie enttäuschen. Genau wie Annie. Diese schmierige Laus von einem Richter würde dafür sorgen.
„Gerade heute“, erzählte Arthur Goodwin genüsslich, „habe ich einen jungen Mann in deinem Alter nach Australien verbannt. In diesem Moment wird er sich wohl in seinem Kerker an trocken Brot und Wasser gütlich tun. Morgen früh schon wird man ihn auf ein Schiff stecken und zur Zwangsarbeit ans andere Ende der Welt schicken.
Hast du schon von der Gastfreundlichkeit gehört, mit der man dort einem Gefangenen begegnet?“ Er kam näher und strich Sam leicht über ein Ohr, doch dann packte er es und zog mit bösartiger Grausamkeit daran. „Wie geht es meiner reizenden kleinen Annie? Sag schon, Sam. Ich kann dich nicht hören ...“
Nur ein leises Wimmern entglitt Sams zusammengepressten Lippen.
Goodwin packte noch fester zu. „Oder vielleicht sollte ich dich gleich aufknüpfen lassen. Der Saphir muss mindestens zweitausend Pfund wert sein, und dann ist da noch die wertvolle Urkunde. Eine solche Beute reicht völlig für eine solche Verurteilung. Was meinst du, was würde die kleine Annie alles tun, um deinen Hals vorm Baumeln zu retten?“
Sam riss sich los und kam abrupt zum Stehen, sodass der Richter erstaunt zurücktaumelte. Der Stuhl fiel krachend um, und Sam folgte ihm, da er vergessen hatte, dass seine Fußgelenke daran gefesselt waren. Er spuckte Goodwin an und zischte: „Sie ist vor Ihnen sicher. Sie ist, wo Sie mit Ihren dreckigen Pfoten nicht an sie herankönnen!“
„Samuel? Bist du verletzt?“
Sam und der Ehrenwerte Arthur Goodwin blickten mit der gleichen Verblüffung auf, als sie den leisen, besorgten
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