03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
einen geistig gesunden Creawdwr , um dieses Ziel zu erreichen«, sagte er laut genug, um das vielstimmige Lied zu übertönen.
»Der Creawdwr hat unsere Gesandten in Stein verwandelt!«
Ein Lächeln huschte über Gabriels Lippen. »Das behauptet der Morgenstern. Ich finde es einigermaßen verwunderlich, dass er als Einziger intakt geblieben sein soll.«
»Das ist ein Zeichen. Der Creawdwr will damit andeuten, dass sich die Dinge ändern müssen. Gehenna soll untergehen und mit ihm die alten Wege. Es ist an der Zeit, neu anzufangen, die Welt der Sterblichen und der Vampire zu verbinden und ein neues goldenes Zeitalter mit einem jungen Erschaffer als unserem Anführer zu beginnen.«
»Mit einem Creawdwr , der dem Wahnsinn anheimgefallen ist?«
»Bald wird dieser noch ausgesprochen junge Erschaffer gefesselt, von starken und liebevollen Calon-Cyfaills stabilisiert und darauf vorbereitet werden, seinen Platz auf dem Chaosthron einzunehmen«, erläuterte Gabriel.
Das Wybrcathl verstummte. Das eintönige Surren der Chalkydri -Flügel hallte im Raum wider, während die kleinen Dämonen den Nephilim -Dienern halfen, eisgekühlte Krüge mit Wein zu holen und zu verteilen.
»Aber«, fuhr Gabriel fort, »möglicherweise ist es tatsächlich an der Zeit, dass sich Gehenna auflöst.« Seine goldenen Flügel flatterten, um ihm die volle Aufmerksamkeit der anderen zu garantieren. »Ein neues Gehenna wird erstehen.«
Bestürzte, empörte Lieder stiegen in die Luft, als Gabriels Worte verhallt waren. Hekate breitete ihre lilienweiß schimmernden Flügel aus und flog in den duftenden Frühlingsabend.
Sie hoffte, ihr Plan würde funktionieren. Sie hoffte, dass Gabriel und seine hochwohlgeborene alte Garde bis spät in die Nacht über Gehenna und sein Schicksal diskutieren würden.
Ihre Flügel durchschnitten die Luft wie Klingen. Mit jedem Schlag näherte sie sich der östlichen Terrasse des königlichen Horsts, wo Lucien sie erwartete. Gespenstisch fahles Mondlicht fiel auf die verschiedenen Eingänge des Horsts, als sie an ihnen vorüberflog.
Während sie nach unten auf die Terrasse segelte, sah Lucien zu ihr auf. Er hatte sich an die Brüstung gelehnt und in die Nacht hinausgeschaut. Sein markantes Gesicht zeigte immer mehr, wie seine Vitalität mit jedem Tag, der verging, nachließ. Das Lodern in seinen schwarzen Augen war bereits zu einem schwachen Flackern herabgebrannt.
Sie sah die goldenen Schlingen ihres Geas , die um sein Bewusstsein gewickelt waren: Es wäre dir nicht erlaubt, von meiner Seite zu weichen.
In Erwiderung spürte sie seine schlängelnde Wärme, die sich um ihre Gedanken legte: Dir wäre verboten, jemanden zu meinem Sohn zu führen oder seinen Aufenthaltsort zu enthüllen.
Hekates Füße, die in Sandalen steckten, landeten auf dem Marmorboden, und sie blieb flügelschlagend stehen. Nachdem sie die Flügel eingefaltet hatte, prostete ihr Lucien mit einem Glas pflaumenfarbenen Weins zu.
»Sehr anmutig«, sagte er. »Ich sehe dir gern beim Fliegen zu.«
Sie trat zu ihm. »Im Saal der Stimmen findet gerade eine lebhafte Debatte statt«, berichtete sie. »Wir sollten los, sobald ich dich getarnt habe.«
Lucien nickte, ehe er seinen restlichen Wein mit einem Schluck austrank. »Brauchst du etwas von mir?«, erkundigte er sich und wandte sich ihr zu.
Sein Antlitz wirkte erschöpft. Unter den Augen lagen tiefe Ringe. Seine Haut wirkte fast durchsichtig, und Gabriels Bestrafung – Luciens Schicksal an das des sterbenden Landes zu knüpfen – kam Hekate barbarisch vor. Aber vielleicht hatte er diese Strafe auch verdient. Lucien war schließlich ein Verbrecher. Als Calon-Cyfaill des Creawdwrs hatte er diesen getötet. Hekate durchlief es eiskalt. Es war ein unglaubliches Verbrechen, der schrecklichste aller Vertrauensbrüche.
»Nein«, entgegnete sie. »Halte dich ruhig und schweig, bis ich das Trugbild vollendet habe.«
Er stellte sein leeres Glas auf die Brüstung und richtete sich dann mit hoch erhobenem Kopf auf. Hekate holte Energie aus der Luft und wand sie um Lucien, wobei sie vor Anstrengung auf der Unterlippe kaute.
Ein schnelles Krümmen von Lichtstrahlen vollendete ihre Täuschung. Lucien sah verändert aus. Sein Haar war nun rot, seine Augen waren grün, seine Gestalt war schmaler und sein Gesicht länger und schärfer geworden. Seine Flügel schillerten jetzt golden.
Hekate atmete befreit auf und nickte. »Warte«, sagte sie und trat hinter ihn. Sie löste mit blauen Funken die
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