03 - Nur ein einziger Biss
ungläubig an. »Wie kommt es, dass das niemand weiß?«
Styx bemerkte, dass er nicht unbedingt in der Lage war, ihr Sicherheit zu vermitteln, und schnitt eine Grimasse. Vielleicht hatte der verdammte Gargyle recht? Er hatte noch eine ganze Menge zu lernen, wenn es darum ging, eine junge Frau unter seinem Dach zu beherbergen.
»Vampire sind imstande, die Erinnerungen der Menschen zu verändern, die ihnen begegnen, und die meisten Dämonen können ihre Präsenz geschickt verbergen.« Er studierte ihr Gesicht ganz genau. »Darüber hinaus ziehen
es die meisten Sterblichen vor, sich einzureden, dass alles Übernatürliche nicht mehr wäre als Hirngespinste.«
Darcy lächelte, aber in ihrem Lächeln lag eine so tiefe Traurigkeit, dass Styx’ Herz sich zusammenzog.
»Ich nehme an, das stimmt«, flüsterte sie. »Niemand hat mir geglaubt. Sogar mein Psychiater hat sich geweigert zu akzeptieren, dass ich wirklich anders bin. Selbst, als ich ihm gezeigt habe, wie schnell meine Wunden heilen. Er schwor, dass es nicht mehr als ein Salontrick wäre, den ich mir ausgedacht hätte, um Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Er meinte, dahinter stecke bloß mein Bedürfnis nach Selbstbestätigung.«
Styx seufzte. Es ging immer noch schlimmer.Vielleicht war es das Beste, erst einmal den Rückzug anzutreten und das Gespräch später fortzusetzen. »Wirst du mir in der Küche Gesellschaft leisten, sobald du dich umgezogen hast?«
Sie erhob sich langsam und bemühte sich, ihre düstere Stimmung abzuschütteln. »Solange ich nicht auf der Speisekarte stehe.«
»Ich habe Blut«, versicherte er ihr und trat auf sie zu. Unfähig, der Versuchung zu widerstehen, berührte er leicht ihre Wange. »Obschon ich es nicht bereue, von dir getrunken zu haben. Und ich werde auch nicht leugnen, dass ich mir wünsche, dich in meinen Armen zu halten und von dir zu kosten.« Er berührte ihre Lippen mit seinem Finger, als sie ihn zu unterbrechen versuchte. »Aber ich werde dich nicht zwingen. Niemals.«
Er beugte sich zu ihr herunter, um mit seinen Lippen über ihre zu streifen, bevor er sich umdrehte und zur Tür ging. »Ich werde dich unten erwarten.«
Darcy wartete, bis Styx die Tür geschlossen hatte, bevor
sie ins Bad zurückkehrte, um das Badetuch gegen den Morgenrock zu tauschen. Ihr gesunder Menschenverstand ermahnte sie, in ihren Räumlichkeiten zu bleiben. Wenn sie allein war, konnte sie leichter im Gedächtnis behalten, dass Styx ein kaltherziger Vampir war, der sie nur für seine eigenen Absichten benutzen wollte. Wenn er allerdings in ihrer Nähe war … Nun ja, wenn er in ihrer Nähe war, war alles, woran sie denken konnte, die Tatsache, dass sie seine Berührungen und seine Küsse genossen hatte - und seinen Biss. Und außerdem die ungeheure Einsamkeit, die tief in seinen schwarzen Augen verborgen lag. Eine Einsamkeit, die sie selbst empfand und die ihr gefährlich zu Herzen ging.
Trotzdem konnte sich ihr gesunder Menschenverstand nicht gegen ihren natürlichen Instinkt behaupten, sich aus ihrem Gefängnis zu befreien. Eine ihrer Pflegemütter hatte sie mal einen Waldgeist genannt, wegen ihrer Angewohnheit, sich sogar mitten in der Nacht aus dem Haus zu schleichen, um unter freiem Himmel zu sein. Ganz egal, wie luxuriös ihre Umgebung sein mochte, sie brauchte Platz um sich!
Sie betrat noch einmal das Bad, das in Schwarz und Elfenbein gehalten war, legte den Morgenmantel auf den Toilettentisch aus Marmor und wollte gerade nach dem Knoten, den sie in ihr Handtuch gemacht hatte greifen, als sich eine Hand von hinten auf ihren Mund legte und sich ein heißer, harter Körper gegen ihren Rücken presste.
»Pst!«, zischte ihr eine Männerstimme ins Ohr. Sie erkannte sie augenblicklich als Salvatores Stimme wieder. »Keine Angst, ich werde dir nichts tun.«
Sie riss sich los und fuhr herum, um den Werwolf
anzustarren. Er sah genauso gut aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte, obwohl er jetzt statt seines Seidenanzugs eine enge schwarze Hose und einen dünnen schwarzen Pullover trug. Und er war immer noch genauso gefährlich. Selbst in dem gedämpften Licht schimmerte in den goldenen Augen eine Warnung, und das schmale Gesicht wirkte sogar noch räuberischer, weil das dunkle Haar jetzt in seinem Nacken zu einem kurzen Zopf zusammengefasst war.
Für einen kurzen Moment schoss Darcy das hysterische Bedürfnis zu schreien durch den Kopf, aber sie verwarf diese Idee sofort wieder. Wenn er ihr etwas tun wollte, dann würden Schreie daran
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