03 - Saison der Eifersucht
könnte, nicht mit nach Richmond zu fahren.
Der Marquis hatte sich so schnell wie möglich von Lord Vere verabschiedet. Er
wollte allein sein, um die Angelegenheit in aller Ruhe zu überdenken.
Harriet hatte sein
Herz erobert. Er hatte auf der Fahrt an nichts und niemand anderen gedacht,
während er sich das abgedroschene Geschnattere der Hayner-Mädchen
anhörte. Sein Gesicht war schon ganz steif vorn Lächeln gewesen. Er war
überzeugt davon, dass er Gilberts Gefühle nicht verletzte, wenn er um Harriets
Hand anhielt. Lord Vere hatte vollkommen glücklich in der Gesellschaft der
Zwillinge gewirkt und sich nicht einmal nach Harriet erkundigt.
Dass Harriet seinen
Antrag ablehnen könnte, kam dem Marquis keinen Augenblick in den Sinn. Er
kannte seinen Wert. Er war reich, von bester Herkunft, er war weder ein Krüppel
noch schielte er. Keine Frau, die bei klarem Verstand war, würde ihn ablehnen,
noch dazu, wenn sie arm war.
Als er die Clarges
Street entlangging, merkte er nicht, dass die Sonne hinter den Wolken
verschwunden war, und er fühlte den kalten Hauch des aufkommenden Windes nicht
im Gesicht. Er war in Träume versunken, in denen Harriet Metcalf zuerst völlig
verschüchtert und dann überaus dankbar war.
Harriets Erlebnis
mit Lord Vere hatte sie doch recht betrübt, und sie trat dem Marquis ernst
entgegen, um ihn zu begrüßen, als er hereingeführt wurde.
Er lehnte es ab,
etwas zu trinken, da er gleich mit dem Antrag der ihm auf der Seele brannte,
herauswollte. Sie sah so reizend aus. Ihre Lippen waren weich und rosig. Er
fragte sich, wie alt sie wohl war. Sie hatte ihm erzählt, dass ihre Eltern vor
geraumer Zeit gestorben waren. Sie musste Mitte Zwanzig sein, und doch sah sie
frisch und jung und jungfräulich aus.
Harriet sah
keinerlei Notwendigkeit, ihn zu ermutigen, seine Bitte, um Sarahs Hand anhalten
zu dürfen, schnell hinter sich zu bringen. Denn im Gegensatz zu Lord Vere
wirkte er nicht im geringsten aufgeregt. Sie konnte sich nicht helfen, sie
fand, dass er noch besser als sonst aussah. Seine Halsbinde war schneeweiß und
perfekt gewickelt, seine Stiefel glänzten wie schwarzes Glas. Sein
kastanienfarbenes Haar schimmerte wie mit Goldfäden durchzogen. Es war sehr
dicht und naturgewellt.
Plötzlich lächelte
er Harriet an - ein warmes, zärtliches, verführerisches Lächeln. Sie
fühlte Röte in ihren Wangen aufsteigen und wünschte, er würde nicht ganz so gut
aussehen.
»Nun, Miss
Metcalf«, sagte er, nachdem das Thema Wetter beim besten Willen nichts mehr
hergab, »Sie wissen, warum ich gekommen bin.«
»Ja, Mylord«,
erwiderte Harriet ruhig. Er schaute sie ein bisschen überrascht an. Er hätte es
passender gefunden, wenn Harriet etwas verwirrt und aufgeregt gewirkt hätte.
Aber die großen blauen Augen, die den seinen mit solch entwaffnender Offenheit
begegneten, verrieten keinerlei Nervosität oder Verlegenheit.
»Und sind Sie
einverstanden?«
»Ich kann kaum für
jemand anderen zusagen.« Harriet lächelte. »Doch Sie haben meine Erlaubnis, und
Sie werden feststellen, dass Sarah es kaum erwarten kann, Sie zu sehen.«
Harriet erhob sich.
»Wohin gehen Sie?«
fragte er in barschem Ton.
»Nun, ich will Miss
Sarah holen.«
»Brauchen Sie die
Zustimmung dieses jungen Dings? Sie tragen die Verantwortung, nicht Sarah.«
»Aber ich bin doch
keine Tyrannin. Ich schreibe meinen Schützlingen nicht vor, wen sie heiraten
sollen!«
»Setzen Sie sich«,
herrschte der Marquis sie an.
Harriet setzte sich
wieder, in ihren blauen Augen stand Erstaunen.
»Wir scheinen
aneinander vorbeizureden. Ich werde mich deutlicher ausdrücken: Ich will Sie heiraten, Miss Metcalf.«
»Oh, nein!« schrie
Harriet. »Sie nicht auch!«
»Würden Sie mir das
bitte erklären?«
»Ich dachte, Lord
Vere sei gekommen, um Annabelle einen Heiratsantrag zu machen, aber er machte
statt dessen mir einen. Und jetzt Sie! Ich dachte, Sie wollten Sarah heiraten.«
»Warum sollte ich
so ein Schulmädchen heiraten?«
»Sie hat eine Mitgift«,
jammerte Harriet.
»Sie scheinen
nichts anderes als Geld im Kopf zu haben. Ich will Sarah Hayner nicht heiraten.
Ich will Sie heiraten.«
»Ich will Sie nicht heiraten«, sagte Harriet, die der Teufel ritt.
»Warum nicht?«
»Ich liebe Sie
nicht. Sie... Sie machen mir angst.«
»Ich dachte, Liebe
käme in Ihren Berechnungen nicht vor, Sie denken doch sonst so praktisch. Ich
bin reich -«
»Ich will kein
Geld.«
»Ich bin ein
Marquis.«
»Ich will keinen
Titel.«
»Was um
Weitere Kostenlose Bücher