03 - Sarggeflüster
makellosen Akte, soweit es meine Eltern betraf. Menschen heiraten? Nein. Menschen zu Vampiren wandeln? Teufel, nein! Gewandelte Vampire waren die Geißel der Erde. Die niedrigste Form vampirischen Lebens. Bloße Bauern (die Worte meines Vaters, nicht meine).
Daher auch mein Dilemma wegen Ty. Es bestand nicht die geringste Möglichkeit, dass meine Eltern je mit ihm einverstanden sein würden. Das heißt natürlich nur, falls es uns jemals gelingen sollte, irgendeine Form von Beziehung aufzubauen. Falls es mir gelang, ihn aus den Händen dieses durchgeknallten Psychopathen zu befreien, der ihn als Voodoopuppe missbrauchte -
Auf einmal lief es mir eiskalt den Rücken herunter, und meine Gedanken überschlugen sich. Nein. Ich hatte keine geheimnisvollen Gesänge gehört.
Oder Trommeln. Oder gackernde Hühner.
„Alles okay mit Ihnen?“ Evies Stimme drängte sich in meine Gedanken.
„Ahm, sicher.“ Ich zwang mich zu lächeln.
„Weil Sie nämlich gerade so aussehen, als hätte jemand Ihre Katze getreten.“
Ich dachte an Killer. „So viel Glück sollte ich mal haben.“ Ich wandte mich um, ging in mein Büro zurück und stürzte mich in die Arbeit.
Es stellte sich heraus, dass zweiundsiebzig Stunden wesentlich weniger Zeit sind, als es sich anhörte.
Zum einen musste ich die zehn Stunden abziehen, die ich jeden Tag mit Schlafen verbrachte, sowie die zwei Stunden für Haare, Make-up, Dusche und das Aufsammeln von Katzen-Aa. Es blieben noch sechsunddreißig Stunden, minus die Zeit, die ich damit verbrachte, für meine anderen Klienten zu arbeiten, eine völlig aufgelöste Mandy zu beruhigen, nachdem das Hotel ihren Hochzeitstermin wegen Überbuchung abgesagt hatte - und mir Sorgen um Ty zu machen. Am Ende hatte ich ganze zehn Stunden, um nach Jacks perfekter Partnerin zu suchen.
Was bedeutete, dass es mir, als der Sonntagabend drohend näher rückte, gelungen war, genau beeindruckende null Komma null Kandidatinnen aufzutreiben.
Ich stand in meiner Küche, ein Glas warmes Blut in der Hand, während ich über meine Wahlmöglichkeiten nachdachte.
Erstens: Ich könnte ohne die geforderte Kandidatin auftauchen, meine Mutter damit tierisch sauer machen und die Konsequenzen tragen.
Zweitens: Ich könnte auch überhaupt nicht auftauchen, meine Mutter damit tierisch sauer machen und die Konsequenzen tragen.
Und drittens: Ich könnte mich einfach pfählen und dem Ganzen damit ein Ende bereiten.
Gerade als ich die Hand nach dem Brieföffner ausstreckte, der neben meiner letzten Visa-Rechnung lag, hörte ich Killers Miauen. Ich blickte nach unten in die großen grünen Augen.
10
„Bevor du es beendest“, schien er zu sagen, „könntest du deinen Arsch da wohl noch zum Küchenschrank bewegen und mir etwas zu fressen geben? Ich bin nämlich am Verhungern“
Meine Finger schlossen sich nur wenige Zentimeter vor dem Brieföffner.
Schließlich konnte ich ihn nicht verhungern lassen. Da war ich aber wirklich wesentlich verantwortungsbewusster. Ich ging zu meiner kleinen Vorratskammer. Wenige Minuten später löffelte ich eine Dose Gourmet-Kitekat in einen silbernen Futternapf von Pucci (ich war einkaufen gewesen) und stellte ihn auf den Boden neben den passenden Wassernapf. Killer kam gemächlich herüberstolziert, schnüffelte und begann, sein Leckerli auf-zuschlabbern.
Ich schnappte mir den Brieföffner. „Jetzt zieh ich's durch“, sagte ich zur Katze.
Sie schlang einfach weiter, ohne mir auch nur einen Blick zuzuwerfen. „Nein, nein. Du brauchst gar nicht zu heulen und zu betteln. Es ist besser so.
Wirklich. Dann muss ich mir nicht mehr anhören, was meine Mutter sagt.
Oder mir Sorgen um Ty machen.“ Oder ihm helfen.
Der letzte Gedanke versetzte mir einen Schlag.
Na ja, das und der sündhaft köstliche Gedanke, der gleich darauf folgte: Ty und ich und heißer, lebensbejahender Sex, um ihn seine grauenhaften Erlebnisse vergessen zu lassen.
Mein Gewissen (jawohl, ich habe eines) und meine Hormone tobten, und ich legte den Brieföffner achtlos weg. Ich war viel zu jung (und hatte verflucht noch mal zu viel Angst), um es zu beenden. Außerdem, was würde denn dann aus Killer werden? Und Evie? Und den verzweifelten Männern und Frauen auf der ganzen Welt, die alles geben würden, einfach alles, um sich zu verlieben?
Also wirklich, was hatte ich mir bloß dabei gedacht? Es gab Leute (und eine rotzfreche Katze), die mich noch brauchten. Ich konnte nicht einfach den leichtesten Ausweg wählen, nur weil ich
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