03 - Sarggeflüster
jetzt tut sie alles, um wiedergutzumachen, dass sie sich wie eine Verrückte aufgeführt hat.“
„Entweder das“, ich nickte, „oder sie glaubt, dass du dir einen seltenen Krankheitserreger eingefangen hast und rund um die Uhr medizinische Betreuung brauchst.“
Er runzelte die Stirn, obwohl Harriet ihm soeben ein Glas seiner Lieblingsblutgruppe überreicht und ihm eine Serviette unter das Kinn geschoben hatte. „Worüber redest du da eigentlich?“
Ich würde kein Sterbenswörtchen sagen. Nimm es mit ins Grab, ermahnte ich mich.
Auf der anderen Seite wartete ja überhaupt kein Grab auf mich, und die Ewigkeit war schon eine verdammt lange Zeit, um eine Lüge aufrechtzuerhalten. Vor allem viel zu lang, um zuzusehen, wie Jack auf der Couch faulenzte und verwöhnt wurde. Das hatte er eh schon zur Genüge auskosten dürfen (Jack war schließlich der jüngste Sohn und definitiv der Verwöhnteste).
„Möglicherweise habe ich das ein oder andere zu deiner gesundheitlichen Verfassung gesagt“, erwiderte ich.
„Ich habe keine Verfassung.“
„Nein, aber angenommen, es wäre so. Möglicherweise habe ich es Mom gegenüber erwähnt, um die Tatsache zu unterstreichen, dass du Mandy tatsächlich brauchst. Für mehr als nur Sex.“
„Ich brauche Mandy ja auch für mehr als nur Sex.“
Vor ein paar Monaten hätte mich eine solche Aussage von Jack völlig aus der Fassung gebracht. Seit Mandy aufgetaucht war, hatte sich Jack in einen richtig anständigen Kerl verwandelt, und ich erwartete inzwischen auch gar nicht mehr, dass jemand aus dem Gebüsch sprang und „Reingelegt!“ rief.
„Das weiß ich, und du weißt es, aber Mom schnallt's einfach nicht. Das Einzige, was sie kapiert, ist, dass du ihr kleiner Junge bist und deine Existenzgrundlage gefährdet scheint.“
„Das kapiert sie?“
„Zuerst nicht, weil du ja ein Supervampir bist und so, aber dann hab ich ihr erklärt, dass diese Bakterien ganz neu und selten sind und ausschließlich Supervampire befallen. Jetzt kapiert sie's.“
„Mit anderen Worten: Du hast sie angelogen.“
„Für einen guten Zweck.“ Ich erzählte ihm, dass sie mich angeheuert hatte, um eine Partnerin für ihn zu suchen. Da hätte er mich um ein Haar mit einer ganzen Ladung von dem roten Zeug bespuckt, das er sich gerade genehmigt hatte.
„Du machst Witze, stimmt's?“, fragte er, während Harriet herbeigeeilt kam, um ihm das Kinn abzutupfen. „Sie hat dich angeheuert?“ Er starrte mich durchdringend an.
Ich nickte. „Sie hat sogar eine Expressgebühr bezahlt.“
„Was für ein kaltherziges Biest.“
„Sie war verzweifelt“, warf ich ein. Moment mal. Was hatte ich da gerade gesagt? Hatte ich tatsächlich Jacqueline Marchette verteidigt, die sich wie besessen in alles einmischte? „Sie hatte das Gefühl, keine andere Wahl zu haben.“ Oh-oh. Genau das hatte ich getan. „Du bist ihr Sohn. Sie glaubte, sie tut das, was für dich das Beste ist.“
„Meine Beziehung mit Mandy zu zerstören ist nicht das Beste für mich. Und wird es niemals sein. Ich liebe sie. Ich habe noch nie jemanden so geliebt, wie ich sie liebe. Ich wusste ja nicht mal, dass es so was überhaupt gibt.“ Er stand auf. „Das muss aufhören.“
„Das hat es schon. Mom wird Mandy ab sofort in Ruhe lassen.
Die Hochzeit findet statt. Also, genieß den Waffenstillstand und entspann dich.“
„Wenn sie es einmal versucht hat, tut sie es auch ein zweites Mal.“
„Vielleicht aber auch nicht.“
„Und vielleicht machst du dir nur etwas vor.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich muss etwas tun. Und zwar sofort. Bevor alles noch, schlimmer wird.“ Unsere Blicke trafen sich.
„Sag mir, dass du nicht das tun wirst, von dem ich glaube, dass du es tun wirst.“
Er nickte. „Ich werde ihr gründlich die Meinung sagen.“ Er griff nach seinem Handy und wedelte mir damit vor der Nase herum. „Es wird nicht leicht werden und auch nicht besonders schön, aber mit den Konsequenzen werde ich halt leben müssen. Sie muss begreifen, dass sie ihre Nase nicht einfach in jede Angelegenheit stecken kann, so wie es ihr passt. Sie hat kein Recht, mir vorzuschreiben, was ich tun oder lassen soll. Nicht jetzt. Und auch sonst nicht.
Und genau das werde ich ihr sagen.“ Er warf noch einen Blick auf das Handy, bevor dieser zu dem Massagetisch wanderte, der im Esszimmer aufgebaut war. „Darauf kannst du deinen Arsch verwetten, dass ich ihr das sage.“
„Gleich nach deinem Termin bei Hans?“
Er nickte energisch.
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