03 - Schatten Krieger
gesunken, das andere hatte schwere Schlagseite, und auf den beiden übrigen tobte ein verzweifelter Kampf.
Schließlich waren die letzten Untoten an Deck der
Molligen Muschel
erschlagen worden. Die Menschen standen alle noch, auch wenn die meisten zahlreiche Schnittwunden und Kratzer davongetragen hatten. Wenn das unnatürliche Leben aus den Untoten wich, lösten sich ihre Kadaver in einem ekelhaften Haufen schleimigen Fleisches und verfaulter Knochen auf, die jetzt hastig mit Haken und Schaufeln über Bord geschafft wurden. Jetzt erst bemerkte Tashil, dass ihr Boot führungslos in der Dünung dümpelte. Das Segel knatterte nutzlos im Wind, und die Leinen hingen schlaff herunter.
»Jodec!«, rief sie, »wir müssen …!«
»Der Käpt'n ist tot«, unterbrach sie der junge Steuermann von der Brücke. Er war im Gesicht so weiß wie eine getünchte Wand und sichtlich verängstigt. Zwei andere Matrosen tauchten aus der Heckluke auf, doch bevor Tashil ihnen einen Befehl zurufen konnte, hörte sie, wie ihr Bruder Atemor hinter ihr fluchte. Sie drehte sich herum.
Durch den Nebel kam die dunkle Silhouette eines Schiffes auf sie zu. Seine Masten waren mit den zerfetzten Resten von Segeln besetzt, die sich in dem unbeständigen Westwind kaum rührten. Dennoch näherte es sich ihnen unaufhaltsam. Der schwarze Rumpfund das Vordeck zeichneten sich rasch durch den Dunst ab. Beides war vollkommen mit Muscheln und vergammelten Algen überzogen. Noch während Tashil den Matrosen zuschrie, die Segel der
Molligen Muschel
zu setzen, glitten verweste Gestalten über die Seiten des Schiffes ins Wasser und schwammen auf sie zu.
Während sich die
Mollige Muschel
dem Zentrum von Sejeend näherte, eilten Calabos, Dardan und Sounek an der hohen äußeren Mauer vorbei in den Innenhof des Hojamar-Fried. Sie trugen Kapuzenmäntel, die sie aus Murstig mitgebracht hatten, und sie benahmen sich so gut sie konnten wie gläubige Wallfahrer, während Calabos sie zum Kala und seinem bewaldeten Tal führte. So weit war er auch in der Nacht gekommen, als dieser verhexte Ruf ertönt war, doch diesmal wollte er die Höhle ihres finsteren Widersachers finden, ohne sich aufhalten zu lassen. Die Erinnerung an die widerliche Anrufung brannte ihm noch frisch im Gedächtnis, und diese Bilder boten ihm jetzt eine gewisse Orientierung.
Sie überquerten einige Kreuzungen und gelangten auf eine Straße mit einer Reihe gepflegt wirkender Stadthäuser auf der linken und einer hohen Mauer auf der rechten Seite. Die Mauerkrone war mit Beeren und Blättern geschmückt, und dahinter erhoben sich große Bäume. Deren Blattwerk wurde von Lampen beleuchtet, die hinter der Mauer verborgen lagen. Das war der Bestattungshain, und je näher sie seinem Eingang kamen, desto mehr wuchs Calabos' Gewissheit, dass sie auf dem richtigen Weg waren.
»Es ist hier irgendwo in der Nähe«, murmelte er, während sie weitergingen.
»Von den Häusern da drüben beobachten uns Wachen«, meinte Sounek.
»Solange sie uns nicht jagen oder um Hilfe rufen«, meinte Calabos, »können sie zuschauen, solange sie wollen.« Der Sonnenuntergang tauchte die Stadt in einen roten Schimmer, hier im Schatten des Felsens jedoch war es bereits dämmrig. Die Laternen in den Bäumen erhellten die Pfade und Grabmäler, während die dichten Zweige den größten Teil des Hains vor den Blicken der Wachen auf der anderen Straßenseite verbargen. Als sie durch das geschwungene Portal traten, fühlte Calabos sofort die Veränderung in der Luft und im Boden unter ihren Füßen. Einmal, im nördlichen Yularia, war er durch ein Tal gewandert, dessen Ortschaften und Siedlun gen durch ein Erdbeben vernichtet worden waren. In dieser Ehrfurcht Gebietenden Stille hatte er eine beunruhigende Empfindung im Boden wahrgenommen, Hinweise auf eine unnatürliche Veränderung, als wären die uralten Fundamente, welche die Welt stützten, verschoben oder beschädigt worden. Das war dem sehr ähnlich, was er jetzt auf dem Weg durch den Bestattungshain spürte. Ein schwaches, aber hartnäckiges Zeichen, dass eine Umgestaltung der Erde stattgefunden hatte.
Der Hain wurde an drei Seiten von hohen Mauern und auf der vierten von der blanken, steilen Felswand eingefasst. Je näher Calabos der Klippe kam, desto stärker spürte er, dass hier etwas nicht stimmte. Gleichzeitig verstärkte sich sein Gefühl, dass die anderen seine Warnungen besser beherzigt hätten. Aber seine Argumente hatten gegen ihre Loyalität und ihre entschlossene
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