03 - Schatten Krieger
Besh-Darok geführt hatte.
Auf dem felsigen Plateau wuchsen nur wenig Bäume. Dafür hatten viele Arten von zähen Büschen Wurzeln zwischen den moosbedeckten Klippen und den Grasbüscheln geschlagen. Das Lager war ein hastig zusammengewürfeltes Durcheinander aus schäbigen Zelten. Jarrycs »Kommandozelt« bestand nur aus einem Segeltuch, das schräg an einen aufragenden Felsfinger neben dem Rand der Senke gebunden war. Von dort aus konnte man den Kanal überblicken. Zwei Mönche der Erden-Mutter kümmerten sich um einige Verwundete, als Ayoni eintraf, und zwanzig schlammbespritzte und mitgenommene Soldaten scharten sich um ein Kochfeuer. Als sie die Männer genauer betrachtete, erkannte sie in den meisten von ihnen Angehörige der Ehernen Garde. Das mussten die Neuankömmlinge sein, von denen Jarryc in seiner Botschaft gesprochen hatte. Während sie zu Jarrycs Zelt eilte, schaute sie über den Kanal. Die Insel von Besh-Darok war mittlerweile vollkommen von dem fahlen, tödlichen Grau überzogen, dieser alles verschlingenden Fäule, die sich aus dem alten Kaiserpalast verbreitete. Die grauenvolle Furcht, die sie gestern beim Herannahen der grauen Substanz empfunden hatte, war ihr noch frisch im Gedächtnis. Ebenso wenig konnte sie den schrecklichen Anblick der Menschen, die erbittert miteinander rangen und sich sogar umbrachten, um einen Platz in den Booten zu ergattern, nicht vergessen. Natürlich kenterten viele dieser hoffnungslos überladenen Boote noch weit vor der Zeltstadt der Wallfahrer. Frauen und Kinder versanken in den eiskalten Fluten. Selbst während diese graue Substanz langsam zu den westlichen Grenzen der Insel schwappte, bekämpften sich die Streitkräfte von Ilgarion und Huzur Marag mit einem wahnsinnigen Hass, und das, obwohl ihr gemeinsamer Untergang unaufhaltsam auf sie zukroch.
All dies hatten Ayoni, Jarryc, Chellour und Baron Klayse vom Boot des Sehers aus mit ansehen müssen, als sie über den Kanal zurückruderten. Nachdem sie an Land gegangen waren, verfolgten die Seher der Mogaun ihre eigenen Ziele. Sie wollten in die Wälder im Norden zurückkehren. Ayoni, Jarryc, Chellour und Klayse wandten sich nach Südwesten und versuchten, unbemerkt nach Sejeend zu gelangen. Sie landeten mitten unter einer panischen Einheit kaiserlicher Soldaten. Eine der beiden Kompanien hatte noch vor wenigen Tagen unter Jarrycs Kommando gestanden, und Ayonis Gemahl hatte die Männer nicht einfach in einer solch verzweifelten Lage ohne Führung lassen können …
Als sie jetzt die alten, ausgetretenen Stufen zu der Anhöhe hinaufstieg, auf der sich das Lager befand, trat Baron Klayse unter Jarrycs Zeltdach hervor. Sein Gesicht war grimmig.
»Mylady«, begrüßte er sie. »Euer Gatte und die drei anderen erwarten Euch bereits. Ich kann nicht bleiben, die Verteidiger im Tal brauchen mich!«
Mit diesen Worten eilte er sichtlich erschöpft davon. Ayoni sah ihm mutlos nach.
Drei andere?, dachte sie. Ilgarion und Erzmagier Tangaroth … sie haben überlebt…
Sie sollte sich irren. Als sie eintrat, stand Jarryc auf und begrüßte sie, ebenso wie Shumond, der Lordkommandeur der Ehernen Garde, und ein verschreckt wirkender junger Mann, in dem sie einen der Hofmagier erkannte. Eine vierte Person in einer weiten, dunkelblauen Robe blieb regungslos sitzen. Sie nahm vage eine Empfindung wahr, die diese Person ausstrahlte, ein Gefühl von Schmerz und Wut… »Gräfin, ich bedauere sehr, Euch unter solch unseligen Umständen begrüßen zu müssen«, sagte Shumond, bevor Jarryc reagieren konnte. »Ich überbringe tragische Neuigkeiten, die dennoch unbedingt Gehör finden müssen, ganz gleich, welche Trauer sie auslösen. Mylady, unser geliebter, mächtiger Kaiser Ilgarion, Sohn des Magramon, lebt nicht mehr. Er fiel auf dem Schlachtfeld, während er den Ruhm des Khatrimantinischen Reiches und seines Thrones bis auf den letzten Blutstropfen verteidigte …«
Ayoni rührte keinen Muskel und unterdrückte ein Gefühl eisiger Genugtuung. Als sie jedoch Jarryc ansah, wirkte seine Trauer aufrichtig. Irgendetwas stimmte hier nicht, das wurde ihr sofort klar…
»Kaiser Ilgarion starb, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Doch die tödliche Gefahr, der wir uns hier und überall sonst gegenüber sehen«, fuhr Shumond fort, »verbietet uns, den Thron unbesetzt und verwaist zu lassen. Aus diesem Grund haben ich und die Offiziere der Ehernen Garde sowie die Adligen, die überlebt haben, vorgeschlagen, die Krone jemandem zu reichen,
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