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03 - Schatten Krieger

03 - Schatten Krieger

Titel: 03 - Schatten Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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häufiger zeigten als Heiterkeit. Calabos hielt viel von der Intelligenz und dem Mitgefühl dieses Mannes. Er würde ihm weder ausweichen, noch irgendwelchen Unsinn erzählen.
    »In den letzten anderthalb Wochen war er bei Verstand«, erwiderte der Bischof. »Es dürfte die längste Periode ungebrochener geistiger Klarheit sein, seit Ihr ihn zu uns gebracht habt… Bis gestern Abend, jedenfalls.« Calabos verließ der Mut, und die Erinnerungen an seine Träume schössen ihm durch den Kopf. »Hat sich sein Verstand wieder vernebelt?«
    Bischof Waldemar nickte traurig und führte Calabos zu einem Durchgang, hinter dem eine grob gehauene Steintreppe ins Obergeschoss führte.
    »Sein unbeständiger Geist schwankt jedoch auf eine merkwürdige Weise, als wäre seine Vernunft ein Pendel, das zwischen Dunkel und Hell hin und her schwingt und dabei unbekannten Gesetzmäßigkeiten gehorcht«, erklärte er, während er vor Calabos die Treppe hinaufging. »Ich fürchte, er hat wieder angefangen zu schnitzen.« »Verstehe.« Calabos nahm die Stufen mit schweren Schritten. »Hat sich schon eines seiner … Talente gezeigt?« »Hmm … Bis jetzt nicht.«
    Waldemar war für sein Alter noch recht rüstig und zeigte keine Zeichen von Anstrengung, als sie den oberen Absatz der Wendeltreppe erreichten. Calabos atmete aus Gewohnheit schwerer und lehnte sich kurz an die Wand, nachdem er die letzte Stufe genommen hatte. Von dem Treppenabsatz gingen zwei Türen ab. »Ihr solltet wissen«, fuhr Waldemar fort, »dass ich letzte Woche ein sehr faszinierendes Gespräch mit ihm geführt habe. Wir unterhielten uns über cabringanische Poesie aus der Epoche von Droshan dem Ersten. Falls Ihr mir diese Frage erlaubt: War er einmal Archivar?«
    »Ich werde sein Vertrauen sicher nicht missbrauchen, wenn ich sage, dass sich gewiss Archive unter seiner Obhut befanden. Bis zu seinem tragischen Unglück, versteht sich.«
    Bischof Waldemar nickte ernst, trat dann zu einer der beiden Türen und legte sein Ohr an das dunkel gemaserte Holz.
    »Es scheint alles ruhig zu sein«, sagte er. »Ihr könnt eintreten, wenn Ihr wollt. Ich erwarte Euch in der Wachkammer.« Er deutete auf die andere Tür.
    Calabos blieb zögernd vor der Tür stehen, während sich seine Gedanken beinahe furchtsam überschlugen. Dann riss er sich zusammen, öffnete die Tür und trat ein.
    In dem niedrigen, rechteckigen Raum war ein Schlafalkoven in der Wand neben der Tür eingelassen. Die grauen, grob verputzten Wände waren schmucklos bis auf einen Gobelin, der mit Bäumen und unleserlichen Versen bestickt war. In einem kleinen Kamin glühte ein halb erloschenes Feuer, daneben stand ein halb leerer Korb mit Feuerholz sowie ein massiver Holzstuhl und ein niedriger, dreibeiniger Hocker. Eine bronzene Öllampe hing in Schulterhöhe an einem Wandarm aus Eisen. Ihr Licht konnte jedoch den dämmrigen Raum nicht erhellen, in dem die Vorhänge vor dem einzigen Fenster zugezogen waren und das Tageslicht dämpften. In der Mitte des Gemachs stand ein niedriger, schwerer Tisch, der mit Holzresten, unterschiedlich langen geschälten Zweigen und ein paar Brettern übersät war. Einige von ihnen wiesen Spuren von Bearbeitung auf. Sie zeigten grobe Halbreliefs von Pferdeköpfen, Schiffen und Fischen. Die Ecke des Tisches, die der Tür zugewandt war, war ebenfalls mit Schnitzwerk verziert worden, einem fantasievollen Gewirr aus Blättern, Beeren und Ranken, aus denen hier und da die Schnauze eines kleinen Fuchses hervorlugte.
    Ein Ableger der Ranken kroch über den Rand zu der Gestalt des Mannes am Tisch. Er trug eine abgetragene gelbe Tunika und beugte sich über ein flaches Stück goldgelben Steinholzes. Er bearbeitete es energisch, ja beinahe wütend, mit einem kleinen Werkzeug. Calabos lächelte, als er seinen alten Gefährten betrachtete, sein freiwilliges Mündel.
    »ER ist hier!« Der Mann legte das Werkzeug zur Seite und drehte sich um.
    Mehr als dreihundert Jahre und lange Perioden der Geistesgestörtheit hatten die durchdringende Strenge in Coireg Mazarets Augen nicht lindern können.
    Calabos erwiderte den unsteten Blick, als ihm die Bedeutung der Worte dämmerte.
Der Herr des Zwielichts ist hier…
    »Bist du sicher? Woher weißt du das?«
    Coireg Mazaret lachte barsch und verächtlich auf und wühlte in dem Haufen aus Holzstücken vor sich. »Woher wohl? Natürlich durch meine Verbindung zum Brunn-Quell. Er pulsiert immer noch in den tiefsten Abgründen der Leere, aber ich spüre jede Flut

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