Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03 - Schatten Krieger

03 - Schatten Krieger

Titel: 03 - Schatten Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
Vom Netzwerk:
Mogaun sein, vielleicht sogar ein Seher.
    »Es gibt kein Draußen?«, wiederholte Chellour.
    »Nein«, bestätigte der alte Mogaun. »Übrigens auch kein Drinnen, hier, wo wir sind.«
    »Und, Ehrwürdiger«, mischte sich Ayoni ein, »wo sind wir?«
    Der alte Schamane lächelte sie wissend an.
    »Im Geistland, der Domäne der Untoten, dem Schmerzlosen Ozean, der Einöde«, erwiderte er. »Ich musste Euch hierher schaffen, um Euch vor neugierigen Blicken zu verbergen.« Er warf einen Blick nach oben und legte den Kopf schief, als ob er lauschen würde, zuckte dann mit den Schultern und winkte ihnen. »Ich bringe Euch zu ihnen. Folgt mir.«
    Er drehte er sich um und schwebte zu der geschlossenen Zellentür. Ayoni sah Chellour verblüfft an, doch bevor sie etwas sagen konnte, glitten sie beide wie von Zauberhand bewegt hinter dem Schamanen her. Die Wände ihres Gefängnisses huschten an ihnen vorbei, und dann folgten sie dem Schamanen durch die Nacht, während sie ständig an Höhe gewannen.
    Ayoni konnte ihre Perspektive ändern, indem sie einfach nur den Kopf und die Schultern drehte. Sie blickte über das ganze Lager der kaiserlichen Armee, das auf einer Anhöhe zwischen zwei Gebirgsausläufern errichtet worden war. Sie gehörten zu einer unregelmäßigen Reihe von zerklüfteten Klippen und Bergrücken, welche die äußeren Ufer des Großen Kanals säumten. Diese mächtige Wasserstraße war an manchen Stellen mehr als eine halbe Meile breit. Sie umringte das alte Hoheitsgebiet von Besh-Darok und mündete mehrere Meilen nördlich und südlich von der Stadt im Golf von Brykon. Aus der Geschichte wusste Ayoni natürlich, dass es vor dreihundert Jahren hier keine Wasserstraße gegeben hatte, sondern nur eine lange Reihe zerklüfteter Felsen, den Buckelgurt, den die Schattenkönige in ihrer Grausamkeit und ihrem Hass in eine lange, befestigte Mauer verwandelt hatten, an deren Enden die finsteren Zitadellen Gorla und Keshada gestanden hatten. Als der Herr des Zwielichts bezwungen wurde, waren die Furcht einflößende Mauer und die beiden Zitadellen in der Tiefe versunken, in die Unterwelt, und hatten dadurch diesen gewaltigen Kanal aufgerissen. Ein magischer, unterirdischer Stollen, der Große Gang, verband die beiden Festungen mit der Zitadelle von Rauthaz hoch im Norden. Als er zerstört wurde, war ebenfalls ein gewaltiger Kanal entstanden, der bis zum Golf von Noriel reichte.
    Der Große Kanal wirkte wie eine gewaltige schwarze Schlange, während Ayoni und Chellour jetzt im Gefolge des Schamanen in der Abenddämmerung hinüberflogen. Die Lichter des kaiserlichen Lagers wurden immer schwächer und erloschen, als sie das andere Ufer erreichten. Dann sahen sie eine größere Ansammlung von hellen Lichtpunkten am Großen Kanal, einige Meilen entfernt, die sich über das diesseitige Ufer erstreckten. »Belkiol, die Stadt der tausend Zelte«, erklärte der alte Mogaun. »Der Rastplatz für die Wallfahrer, bevor sie sich auf das letzte Wegstück nach Besh-Darok begeben. Dort absolvieren sie ihre drei Entbehrungen, singen die fünf Lieder, sprechen die sechs Gebete und entbieten die zehn Lebewohls.«
    Sie flogen weiter, während ihr Führer wortlos auf Pilgergruppen deutete, die von Belkiol aufbrachen oder in der Stadt eintrafen. Sie trugen Stablaternen über ihren Schultern. Nur ein paar Meilen weiter im Osten schimmerten die fahlen Mauern von Besh-Darok. Ayoni hatte die uralte, fast gänzlich verlassene Stadt nur einmal in ihrer Jugend besucht. Damals begleitete sie ihren Vater auf einer Reise zu Verwandten in Süd-Mantinor. Ihr kleines Schiff hatte an einer der wenigen Molen angelegt, die man noch benutzen konnte. An den meisten Kais versperrten verrottende Wracks den Zugang. Sie hatten die Nacht in einer Herberge am Hafen verbracht, ohne die zerstörte Stadt näher zu besichtigen. Ayoni lächelte, als ihr die Ironie dieser Situation aufging. Obwohl sie am nächsten Morgen unbedingt die verlassenen Straßen hatte erforschen wollen, hatte ihr Vater sich geweigert. Aus Respekt vor den Toten und deren Geistern, die vielleicht noch zwischen Mauern und Türmen umhergingen. Und jetzt kehrte sie selbst als körperloser Geist nach Besh-Darok zurück.
    Sie flogen weiter durch den dunklen Himmel, unberührt von Kälte oder Wind. Kurz drauf sanken sie zwischen den zerfallenden Bastionen in die Stadt hinab. Deren eingestürzte, baufällige Gebäude waren alle von derselben, dunklen Strahlung umgeben, einer schwachen türkisfarbenen Aura.

Weitere Kostenlose Bücher