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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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redet doch seit Tagen von nichts anderem.«
    Nachdem Bruder Rumann gegangen war, saß Fidelma eine Weile schweigend da. Dann merkte sie, daß Cass auf eine Äußerung von ihr wartete. Sie wandte sich um und lächelte ihm müde zu.
    »Rufe Schwester Necht, Cass.«
    Gleich nach dem Ertönen der Handglocke trat die eifrige junge Schwester ein. Sie hatte offensichtlich den Fußboden des Gästehauses geschrubbt und war froh über die Unterbrechung.
    »Ich habe gehört, du hast dich vor dem Ehrwürdigen Dacán gefürchtet«, begann Fidelma ohne Vorrede.
    Für einen Augenblick schien das Blut aus Nechts Gesicht zu weichen. Sie erschauerte.
    »Ja«, gestand sie ein.
    »Warum?«
    »Zu meinen Pflichten als Novizin in der Abtei gehört es, im Gästehaus zu dienen und die Wünsche der Gäste zu erfüllen. Der Ehrwürdige Dacán behandelte mich wie eine Leibeigene. Ich habe sogar Bruder Rumann gebeten, mich für die Zeit, in der sich Dacán hier aufhielt, aus dem Gästehaus zu versetzen.«
    »Dann mußt du eine heftige Abneigung gegen ihn empfunden haben.«
    Schwester Necht ließ den Kopf hängen.
    »Es ist gegen den Glauben, aber es stimmt, ich mochte ihn nicht. Ich konnte ihn nicht leiden.«
    »Du wurdest nicht abgelöst?«
    Necht schüttelte den Kopf.
    »Bruder Rumann meinte, ich müßte es als den Willen Gottes akzeptieren, und durch diese Prüfung würde ich für die Arbeit im Dienste des Herrn gestärkt werden.«
    »Du sagst das so, als ob du nicht recht daran glaubst«, bemerkte Fidelma sanft.
    »Ich wurde nicht gestärkt. Meine Abneigung nahm nur noch zu. Es war eine schreckliche Zeit. Der Ehrwürdige Dacán war nie zufrieden damit, wie ich sein Zimmer in Ordnung brachte. Schließlich tat ich es überhaupt nicht mehr. Außerdem ließ er sich zu allen Tages- und Nachtzeiten etwas von mir bringen, ganz wie es ihm einfiel. Ich war eine Sklavin.«
    »Als er starb, hast du also keine Träne vergossen?«
    »Ich doch nicht!« erklärte die Schwester mit Nachdruck. Dann merkte sie, was sie gesagt hatte, und wurde rot. »Ich meine …«
    »Ich glaube, ich weiß, was du meinst«, erwiderte Fidelma. »Sag mir, hattest du auch Dienst im Gästehaus in der Nacht, als Dacán umgebracht wurde?«
    »Ich hatte jede Nacht Dienst. Bruder Rumann wird dir das gesagt haben. Es war meine besondere Aufgabe.«
    »Hast du Dacán in jener Nacht gesehen?«
    »Natürlich. Er und der Kaufmann Assíd waren die einzigen Gäste.«
    »Ich habe gehört, daß sie sich kannten?« Fidelma ließ die Feststellung wie eine Frage klingen.
    Schwester Necht nickte.
    »Ich glaube aber nicht, daß sie Freunde waren. Ich habe mitbekommen, wie sich Assíd nach der Abendmahlzeit mit Dacán stritt.«
    »Sie stritten sich?«
    »Ja. Dacán hatte sich auf sein Zimmer zurückgezogen. Er nahm sich gewöhnlich ein paar Bücher mit, um bis zur Completa, dem letzten Gottesdienst des Tages, darin zu lesen. Ich ging an seiner Zimmertür vorbei, als ich streitende Stimmen hörte.«
    »Bist du sicher, daß es Assíd war?«
    »Wer sollte es sonst gewesen sein?« entgegnete das Mädchen. »Es wohnte doch weiter niemand hier.«
    »Sie stritten sich also. Worüber?«
    »Das weiß ich nicht. Ihre Stimmen waren nicht laut, aber erregt. Sie klangen zornig.«
    »Und was las Dacán in jener Nacht?« fragte Fidelma. »Ich habe gehört, daß nichts aus seinem Zimmer entfernt wurde. Doch fanden sich weder Bücher noch Aufzeichnungen darin.«
    Schwester Necht zuckte die Achseln und schwieg.
    »Wann hast du Dacán zuletzt gesehen?«
    »Ich war gerade vom Gottesdienst der Completa zurückgekehrt, als Dacán mich rief und sich einen Krug kaltes Wasser von mir bringen ließ.«
    »Hast du sein Zimmer danach noch einmal aufgesucht?«
    »Nein. Ich ging ihm möglichst aus dem Wege. Vergib mir diese Sünde, Schwester, aber ich haßte ihn und kann das nicht leugnen.«
    Schwester Fidelma lehnte sich zurück und sah die Novizin prüfend an.
    »Du hast noch andere Pflichten, Schwester Necht, und von denen will ich dich nicht länger abhalten. Ich rufe dich, wenn ich dich wieder brauche.«
    Die Novizin erhob sich, sie sah beschämt aus.
    »Du erzählst Bruder Rumann doch nichts von meinem sündhaften Haß auf Dacán?« fragte sie eindringlich.
    »Nein. Du hast dich vor Dacán gefürchtet. Haß ist nur die Folge dieser Furcht; wir müssen etwas fürchten, bevor wir es hassen können. Haß ist der schützende Mantel, in den sich die Eingeschüchterten hüllen. Aber denke daran, Schwester, daß Haßgefühle oft

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