03 - Tod im Skriptorium
barc ?«
»Ich glaube schon. Hier übernachtete sie jedenfalls nicht.«
»Erhebt sich also die Frage, warum er nicht auch an Bord blieb, sondern hier ein Nachtquartier suchte?« überlegte Fidelma. »In welchem Zimmer schlief er?«
»In dem, das jetzt Schwester Eisten bewohnt.«
»Kannte er Dacán?«
»Ich glaube, ja. Ich kann mich erinnern, daß sie sich freundlich begrüßten. Das war an dem Abend, als Assíd ankam. Das war wohl ganz natürlich, da sie beide aus Laigin stammten.«
»Hast du dich später bei Assíd nach seiner Beziehung zu Dacán erkundigt?« wollte Fidelma wissen.
Rumann schüttelte den Kopf.
»Warum sollte mich sein Verhältnis zu Dacán interessieren?«
»Aber du sagtest doch, daß sie sich freundschaftlich begrüßten, was darauf schließen läßt, daß sie sich persönlich kannten und nicht nur vom Namen her«, erwiderte Fidelma.
»Ich sah keinen Grund, Assíd zu fragen, ob er mit Dacán befreundet gewesen sei.«
»Wie willst du einen Mörder finden, wenn du nicht solche Fragen stellst?« entgegnete Fidelma gereizt.
»Ich bin kein dálaigh «, verteidigte sich Rumann empört. »Ich hatte nur den Auftrag, zu untersuchen, wie Dacán in unserem Gästehaus zu Tode kam, nicht eine gerichtliche Untersuchung zu führen.«
Daran war manches wahr. Rumann war nicht für eine Untersuchung ausgebildet. Fidelma bereute ihre Schärfe.
»Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Sag mir einfach alles, was du über diesen Assíd weißt.«
»Er kam an dem Tag, bevor Dacán getötet wurde, und wie ich dir bereits sagte, fuhr er am nächsten Tag ab. Er bat um Unterkunft für eine Nacht. Seine barc ankerte in der Bucht, und er trieb wahrscheinlich Handel. Das ist alles, was ich weiß.«
»Nun gut. Und weiter hielt sich zu der Zeit niemand im Gästehaus auf?«
»Nein.«
»Ist das Gästehaus von anderen Gebäuden der Abtei aus leicht zu erreichen?«
»Wie du gesehen hast, Schwester, gibt es keine Einschränkungen innerhalb der Mauern der Abtei.«
»Also könnte jeder beliebige von den Schülern, Mönchen oder Nonnen hier hereingekommen sein und Dacán umgebracht haben?«
»Das könnte sein«, gab Rumann ohne Zögern zu.
»War jemand besonders vertraut mit Dacán während seines Aufenthalts hier? Hatte er engere Freunde unter den Mönchen oder den Schülern?«
»Niemand war wirklich befreundet mit ihm. Nicht einmal der Abt. Der Ehrwürdige Dacán war ein Mensch, der jeden auf Abstand hielt. Überhaupt nicht freundlich. Ein Asket, dem weltliche Dinge gleichgültig waren. Ich erhole mich an manchen Abenden bei einem Brettspiel, brandubh oder fidchell . Ich lud ihn einmal dazu ein, und er lehnte ab, als hätte ich ihm ein gotteslästerliches Vergnügen vorgeschlagen.«
Darin wenigstens, dachte Fidelma, stimmten alle überein, mit denen sie über den Ehrwürdigen Dacán gesprochen hatte. Ein freundlicher Mensch war er nicht gewesen.
»Gab es denn überhaupt niemanden in der Abtei, mit dem er mehr sprach als mit anderen?«
Rumann zuckte die Achseln.
»Allenfalls unsere Bibliothekarin, Schwester Grella. Vermutlich deswegen, weil er soviel in unserer Bibliothek forschte.«
Fidelma nickte nachdenklich.
»Ach ja, ich habe gehört, daß er nach Ros Ailithir kam, um bestimmte Texte zu studieren. Mit Schwester Grella werde ich später reden.«
»Natürlich unterrichtete er auch«, ergänzte Rumann. »Er gab Geschichte.«
»Kannst du mir sagen, wer seine Schüler waren?«
»Nein. Danach müßtest du unseren fer-leginn fragen, unseren Rektor, Bruder Ségán. Er entscheidet alles, was hier mit den Studien zu tun hat. Natürlich untersteht auch er Abt Brocc.«
»Bei seinen Forschungen hat doch der Ehrwürdige Dacán wahrscheinlich viel aufgeschrieben?«
»Das nehme ich an«, antwortete Rumann. »Ich habe oft gesehen, daß er Manuskripte und natürlich seine Wachstäfelchen bei sich trug. Ohne die letzteren verließ er nie sein Zimmer.«
»Warum«, sagte Fidelma und hielt inne, um ihrer Frage Nachdruck zu verleihen, »gab es dann keine Manuskripte oder beschriebene Täfelchen in seinem Zimmer?«
Bruder Rumann starrte sie verständnislos an.
»Gab es da wirklich keine?« fragte er verblüfft.
»Nein. Es liegen Täfelchen da, aber ihre Oberfläche wurde wieder geglättet, und das Pergament auf seinem Tisch ist leer.«
Der Verwalter zuckte erneut die Achseln. Das tat er offenbar häufig.
»Das überrascht mich. Vielleicht hat er seine Aufzeichnungen in unserer Bibliothek aufbewahrt. Ich
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