03 - Winnetou III
Beispiel das Leben hängen kann. Und wenn er glücklich hingekommen ist, fragt es sich dann, wie er mit den Schlangenindianern auskommt, die da oben Ihre Dörfer und nach dem Lewis-Süd-Fork zu ihre Jagdgründe haben.“
„Sind sie so schlimm wie die Comanchen?“ erkundigte sich Bernard besorgt.
„Sie sind sich alle gleich, edel gegen den Freund und furchtbar dem Feind. Wir übrigens brauchen keine Sorge vor ihnen zu haben, denn ich bin längere Zeit bei ihnen gewesen, und jeder Snake-Indsman kennt Sans-ear, wenn nicht persönlich, so doch dem Ruf nach.“
„Snake?“ fragte jetzt Winnetou. „Der Häuptling der Apachen kennt die Shoshonen (Shoshonen nennt der Wilde die Snake- oder Schlangenindianer), die seine Brüder sind. Die Krieger der Shoshonen sind tapfer und treu; sie werden sich freuen, zu sehen Winnetou, der das Calumet viele Male mit ihnen rauchte.“
Also zwei Sorgen waren auf einmal gehoben. Sowohl Winnetou als auch Sam waren Bekannte der dortigen Indianer, und beide kannten also auch die Gegend, in welcher das Short-Rivulet-Tal zu suchen war. Beide führten uns jetzt weiter.
Das Terrain, welches wir beschreiten mußten, war durchweg gebirgig, denn wir hatten das Sacramento-Tal bald verlassen und hielten auf die Berge von San Jose zu. Dies war ein beschwerlicher, aber der geradeste und kürzeste Weg, der es uns ermöglichte, den zwei Räubern vielleicht zuvorzukommen. Sie hatten zwar einen Vorsprang von zwei Tagen, aber ihr Weg war jedenfalls ein längerer, da wir sonst doch wohl ihre Spur getroffen hätten.
Von den Josefsbergen aus wandten wir uns gegen Nordost und gelangten eine volle Woche nach unserer Abreise vom Yellow-water-ground an einen mächtigen Bergstock, welcher mit einem Durchmesser von mehr als fünfzehn Meilen sich wie ein riesiger, abgestumpfter Kegel über das Gebirge erhob und an seinem Fuß dichte Laubhölzer, weiter oben aber sich von beinahe undurchdringlichem Nadelholz-Urwald bestanden zeigte. Da oben lag grad in der Mitte seines Plateaus ein See, welcher seines finstern Aussehens und seiner düsteren Umgebung wegen das black-eye (Schwarzauge) genannt wird. In ihn ergießt sich, von Westen herbeiströmend, der Short-Rivulet.
Wie kam es, daß dort oben Gold zu finden war? Von andern Höhen konnte es nicht herabgespült worden sein, vielmehr mußte es einen plutonischen Ursprung haben. Die Gewalten des Erdinnern hatten bei dem Emportreiben dieses mächtigen Gebirgsstockes die goldenen Schätze der Unterwelt mit emporgeworfen, und es ließ sich sehr leicht denken, daß dort statt des goldhaltigen Sandes ganze Adern und Nester vorhanden seien, die eine größere Ausbeute gaben, als selbst das Tal des berühmten Sacramento.
Wir traten beim Ersteigen des Gebirges in eine Wildnis ein, welche so urwüchsig uns entgegenstarrte, daß wir beinahe den Mut verloren, in das unüberwindlich scheinende Gewirr von Fels und Waldung einzudringen. Aber je weiter wir kamen, desto besser ging es. Das beschwerliche Unterholz verlor sich nach und nach, und endlich ritten wir in einem riesigen Dome, dessen Decke aus dichtem Laubgewinde bestand und dessen Millionen von Säulen – so stark, daß eine von ihnen kaum von drei Männern umklaftert werden konnte – oft zwölf und mehrere Ellen auseinander standen.
Ein solcher Urwald macht auf das empfängliche Gemüt ganz denselben Eindruck, den das Gotteshaus auf ein Kind hervorbringt, welches dasselbe zum erstenmal betritt.
„Du hast die Säulen dir aufgebaut Und deine Tempel gegründet;
Wohin mein gläubiges Auge schaut,
Es dich, Herr und Vater, nur findet!“
So hallt, webt und weht es einem aus allen Richtungen entgegen; das Herz wird weit und groß; der Glaube schlägt seine Wurzeln tiefer und fester, und der Sohn des Staubes dünkt sich so klein wie der Wurm, der sich dort vergeblich bemüht, an der Rinde der gigantischen Eiche emporzuklimmen. Ehe er die Spitzen derselben erreicht, ist er längst tot; so auch der Mensch, der sich Herr der Schöpfung dünkt und doch nur von der Gnade Gottes den obersten Platz unter den sterblichen Kreaturen als unverdientes Geschenk erhielt.
So ritten wir langsam und stetig empor, bis wir das Plateau erreichten. Nun war es leichter, rasch vorwärts zu kommen, und eben als es Abend wurde, erreichten wir das südliche Ufer des ‚Schwarzauges‘, dessen tiefe und unbewegliche Wasser uns entgegen phosphoreszierten wie ein Rätsel, dessen Lösung den unvermeidlichen Tod mit sich bringt.
Für das Tal gab es
Weitere Kostenlose Bücher