03 - Winnetou III
Ich werde um Hilfe rufen und euch lynchen lassen!“ rief er aus.
„Macht keinen dummen Spaß, Mann, sonst könnte Master Lynch Euch selbst über den Hals kommen. Beim ersten Ruf, den Ihr tun solltet, drücke ich ein wenig fester zu!“ antwortete ich.
Ich hatte ihn mit der Linken beim Arm und mit der Rechten im Genick. Er befand sich vollständig in meiner Gewalt und sah, daß er sich fügen müsse.
„Ich finde weiter nichts!“ berichtete Bernard, als er fertig war.
„Nun also! Laßt mich los und gebt die Uhr heraus!“ sagte Buller.
„Sachte, sachte!“ antwortete ich. „Ich werde Euch noch halten, bis wir darüber einig sind, was mit Euch zu machen ist. Was meint Ihr, Bernard?“
„Er hat die Uhr gestohlen“, antwortete dieser.
„Natürlich!“
„Er gibt sie her.“
„Ebenso natürlich!“
„Und seine Strafe?“
„Wollen es gnädig mit ihm machen. Ein Lynch kann uns nichts nützen; er mag also für die Unterschlagung und den Diebstahl die Briefe und die Uhr umsonst herausgeben.“
„Umsonst? Wieso!“
„Sehr einfach: er gibt die fünfzig, die fünf und auch die drei Dollars wieder heraus; das ist sehr gnädig von uns gehandelt. Greift nur getrost in seine Tasche; ich werde ihn festhalten!“
Das Geld wurde ihm trotz seines Sträubens wieder abgenommen; dann ließ ich ihn los. Kaum war dies geschehen, so rannte er aus dem Zelt hinaus, am Wasser hinunter und hinein in das Boardinghouse.
Wir gingen ihm langsam nach und vernahmen schon von weitem ein wütendes Geschrei. Jetzt verdoppelten wir unsere Schritte. Unsere Pferde standen vor der Tür, aber Bob war nicht zu sehen. Schnell traten wir ein und befanden uns auf einem Kampfplatz. In der einen Ecke stand Winnetou, mit der Linken den Uhrendieb bei der Kehle haltend und mit der Rechten die umgekehrte Büchse schwingend; neben ihm wehrte sich Sans-ear gegen einige Gäste. In der anderen Ecke befand sich Bob, dem die Büchse bereits entrissen worden war und der nun kräftig mit dem Messer und der Faust Widerstand leistete. Buller hatte, wie ich später erfuhr, die Miners aufgefordert, mich und Bernard gefangen zu nehmen, und Sam war diesem Vorhaben entgegengetreten. Da nun die Diggers noch wegen Jim ergrimmt waren und der Wirt die Überzeugung gewonnen hatte, daß mit Sans-ear kein Geschäft zu machen sei, so war unter seinem Schutz ein Angriff erfolgt, der den dreien das Leben gekostet hätte, wenn wir beide nicht zur rechten Zeit dazugekommen wäre.
Winnetou und Sam konnten sich noch halten; wir mußten erst Bob heraushauen.
„Nur im Notfall schießen; nehmt den Kolben, Bernard“, sagte ich.
Mit diesen Worten warf ich mich auf die Diggers, und in kaum einer Minute war der Neger neben uns und hatte seine Büchse wieder in der Hand. Wie ein losgelassener Tiger sprang er nun auf die Feinde los. Dieselben hatten keine Schußwaffen; das war unser Glück.
„Ah, Charley“, rief Sam; „weg jetzt mit den Kolben und heraus zum Beispiel mit den Tomahawks! Nur flach aufschlagen!“
Wir folgten ihm. Das war nun kein Kampf, sondern eine Lust. Kaum blitzten unsere Schlachtbeile, und kaum hatten zwei oder drei ihren flachen Schädelhieb weg, so stob die ganze Schar zur Tür hinaus. Seit meinem Eintritt waren kaum zwei Minuten vergangen; jetzt befanden wir uns mit dem Wirt und Buller allein.
„Hast du diesem Mann wirklich die Uhr und das Geld gestohlen, Charley?“ fragte Sam.
„Pah! Er hat vielmehr Bernards Bruder die Briefe unterschlagen und ihm die Uhr gestohlen.“
„Und da laßt Ihr ihn laufen! Doch, das geht mich nichts an. Aber daß er diese Goldkäfer gegen uns gehetzt hat, das geht mich etwas an, und dafür soll er jetzt zum Beispiel seinen Lohn erhalten!“
„Du wirst ihn nicht töten, Sam!“
„Wär' der Kerl ja gar nicht wert! Festgehalten, Winnetou!“
Der Apache hielt den Mann so fest, daß er sich nicht zu rühren vermochte; Sam zog sein Messer und zielte. Ein kurzer Streich – ein Schrei Bullers – Sam hatte ihm die Nasenspitze abgehauen.
„So, mein Junge! Es ist nicht gut, wenn man erfahrene und ehrliche Westmänner lynchen will; denn, steckt man seine Nase zum Beispiel in solche schlimme Angelegenheiten, so wird sie einem zuweilen abgeschnitten. Und unser Master Storeman? Dort ist er. Kommt doch einmal her, mein Lieber, und laßt mich sehen, wie viele Ellen Nase Ihr übrig habt!“
Mit dieser Aufforderung schien der Wirt nicht sehr zu sympathisieren. Er trat zögernd nur einen einzigen Schritt näher.
„Ich
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