03 - Winnetou III
mit einem gewissen Haller einige ernsthafte Wort zu sprechen. Er war in letzter Zeit der Anführer einer Schar von Bushheaders und Pferdedieben, ganz abgesehen von dem, was er von früher her schon auf dem Gewissen hat. Jetzt ist er mit seiner Bande weiter nach dem Westen gezogen, und ich folgte ihm. Dieses Papier ist die genaue Abbildung von den beiden Hinterhufen seines Pferdes; sie stimmen ganz genau mit diesen Spuren überein, und da Haller mit dem rechten Bein hinkt, so bin ich überzeugt, daß er mit dem Anführer der Railtroublers hier ganz eine und dieselbe Person ist.“
„Haller?“ fragte ich. „Wie ist sein Vorname?“
„Sam, Samuel. Doch pflegt er verschiedene Namen zu tragen.“
„Samuel Haller? Ah, von dem habe ich gehört. Ist er nicht der Buchhalter des Ölprinzen Rallow gewesen? Er ging seinem Herrn mit einer ganz bedeutenden Summe durch!“
„Ja, das ist er. Er verführte den Kassierer, die Kasse zu räumen und mit ihm zu gehen. Dann erschoß er ihn. Er wurde von der Polizei verfolgt und tötete zwei Konstabler, die ihn fassen wollten. In New Orleans wurde er ergriffen, als er sich grad einschiffen wollte; es gelang ihm auch dort, zu entkommen, indem er den Kerkermeister erschlug. Dann ging er nach dem Westen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, da man ihm den Raub abgenommen hatte. Seit dieser Zeit hat er Verbrechen auf Verbrechen gehäuft, und es wird Zeit, daß dies ein Ende nimmt.“
„Ihr wollt ihn ergreifen?“
„Mein muß er werden, tot oder lebendig.“
„Ihr habt also eine persönliche Abrechnung mit ihm zu halten?“
Er blickte eine Weile vor sich nieder und antwortete dann:
„Ich spreche nicht gern davon, Sir. Vielleicht teile ich es Euch noch mit, sobald wir uns erst näher kennengelernt haben. Und daß wir uns kennenlernen, das hoffe ich, Sir. Es ist ein wunderlicher Zufall, daß ich mich grad in diesem Zug befunden habe, aber trotzdem hätte ich die Spur dieses Hallers wohl noch lange vergebens gesucht, wenn Ihr es nicht gewesen wäret, der mich auf sie aufmerksam machte. Daß der Anführer der Railtroublers lahm geht und einen braunen Hengst reitet, hätte ich nicht herausgebracht, und doch ist es gerade dieses, was mir von der allergrößten Bedeutung ist. Ich werde hier den Zug verlassen, um der Spur zu folgen. Wollt Ihr mich begleiten, Sir?“
„Ich? Das Greenhorn?“ lächelte ich.
„Pshaw! Ich dürft mir dieses Wort gar nicht übel nehmen, denn Euer ganzes Aussehen ist das eines Mannes, der in den Salon gehört, aber nicht in die Savanne. Hab' doch all' mein Lebtage noch keinen Menschen gesehen, der sich mit dem Zwicker auf der Nase hierher mitten in die alte Prärie stellt, um einen Vogel zu schießen, der ihm davonfliegt. Das war ein Irrtum von mir, den ich Euch gern abbitten will. Also Sir, wollt Ihr mit aussteigen?“
„Hm! Wäre es nicht besser, Euch den Männern anzuschließen, welche von den nächsten Stationen eintreffen werden, um die Railtroublers zu verfolgen?“
„Nein. Redet mir nicht von einer solchen Verfolgung. Ein einziger Westmann wiegt da schwerer als ein ganzes Schock solcher hergelaufener Pulverschnapper. Ich muß allerdings ehrlich sein und sagen, daß es kein geringes Wagnis ist, hinter solchen Leuten herzulaufen; es hängt da das Leben eines Menschen nur an einem versengten Haar; aber ich meine, Ihr seid der Mann, welcher Abenteuer sucht, und hier findet Ihr eins, welches gar nicht interessanter sein könnte.“
„Das ist richtig“, antwortete ich. „Es ist aber niemals meine Leidenschaft gewesen, mich in fremder Leute Sachen zu mischen. Dieser Samuel Haller geht mich gar nichts an, und ich weiß ja auch nicht, ob ich zu Euch passen würde.“
Er blinzelte mich mit seinen kleinen Äuglein sehr schalkhaft an und sagte:
„Ihr meint es wohl umgedreht: ob ich zu Euch passen würde. Na, da dürft Ihr keine Sorgen haben. Der dicke Walker ist nicht der Mann, der mit dem ersten besten Westläufer Kameradschaft macht; darauf könnt Ihr Euch getrost verlassen. Ich bleibe gern für mich, und wenn ich mich einmal einem andern anschließe, so muß ich Vertrauen zu ihm haben und es darf kein gewöhnlicher Kerl sein. Verstanden?“
„In dieser Beziehung bin ich grad wie Ihr. Ich bleibe auch am allerliebsten für mich. Man kann hier in der Wahl seiner Gefährten nicht vorsichtig genug sein. Man findet hier einen Kameraden, legt sich des Abends nieder und ist am Morgen eine Leiche; der Kamerad aber reitet mit seinem Raub wohlgemut
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