03 - Winnetou III
wagten, sie, die an Zahl so Überlegenen, zur Rechenschaft zu ziehen. – – –
SECHSTES KAPITEL
Helldorf-Settlement
Als wir am andern Morgen aufgebrochen waren, bewährte sich mein Schwarzschimmel als ein ganz ausgezeichnetes Pferd. Ein Reiter, welcher nichts von indianischer Dressur verstand, wäre keinen Augenblick im Sattel geblieben; wir aber hatten uns gar bald zusammengerichtet. Dadurch schien ich in der Achtung meines dicken Fred sehr gewonnen zu haben. Überhaupt bemerkte ich, daß er mich zuweilen mit ganz eigentümlichen Blicken musterte. Er mochte die Auszeichnung nicht begreifen, mit welcher mich Winnetou behandelte. In seinen Augen mußte die ganz und gar außergewöhnliche Freundschaft des berühmten Apachen zu einem unbekannten Jäger ein wahres Wunder sein.
Der alte Viktory hielt sehr gut aus, und so kamen wir recht schnell vorwärts. Bereits am Mittag erreichten wir den letzten Lagerplatz der Railtroublers, waren ihnen also fast um einen halben Tagesritt näher gekommen.
Die Spur, welcher wir folgten, hatte das Flüßchen verlassen und sich in ein langes Seitental gezogen, durch welches sich ein Bach schlängelte. Ich bemerkte, daß Winnetou von jetzt ab den Boden weit aufmerksamer betrachtete als bisher; auch suchten seine Augen den Rand des Waldes, welcher von den beiden Seitenhöhen bis auf die Sohle des Tales heruntertrat, zu durchdringen. Endlich hielt er gar an und wandte sich, da wir einer hinter dem andern ritten und er der vorderste war, zu mir um.
„Uff!“ rief er. „Was sagt mein Bruder Scharlih zu diesem Weg?“
„Er wird hinauf bis zum Höhenkamm führen.“
„Und dann?“
„Auf der anderen Seite wird sich das Ziel der Railtroublers befinden.“
„Welches Ziel wird dies sein?“
„Der Weideplatz der Ogellallah.“
Er nickte.
„Mein Bruder Scharlih hat noch immer das Auge des Adlers und die Witterung des Fuchses. Er hat richtig geraten“, sagte er und ritt dann vorsichtig weiter.
„Wieso?“ fragte mich Walker. „Weideplatz der Ogellallah?“
„Ich habe Euch bereits einmal gefragt, ob Ihr glaubt, daß sich drei Indianer ohne ganz besondere Gründe einer solchen Schar von Weißen anschließen“, antwortete ich. „Es gibt im wilden Westen mehr Rote als Weiße, und so wird es ja auch in unserm Fall sein.“
„Pshaw, ich verstehe Euch nicht, Charles!“
„Nun, die drei Ogellallah werden, sozusagen, den Railtroublers als Aufsicht mitgegeben worden sein.“
„Ah! Inwiefern? Von wem?“
„Hm! Nehmt es mir nicht übel, mein lieber Fred, aber die Rollen scheinen sich vertauscht zu haben, heut möchte ich Euch ein Greenhorn nennen.“
„Heigh-ho! Warum?“
„Glaubt Ihr, daß eine Bande von über zwanzig weißen Spitzbuben hier in dieser Gegend ihr Wesen treiben kann, ohne von den Roten bemerkt zu werden.“
„Nein, sicherlich nicht.“
„Wozu werden also die Weißen gezwungen sein?“
„Hm, ja! Sie werden sich unter den Schutz der Roten stellen müssen.“
„Richtig! Werden sie diesen Schutz umsonst haben?“
„Nein. Sie werden ihn bezahlen müssen.“
„Womit?“
„Mit dem, was sie haben, natürlich; mit Beute.“
„Schön! Begreift Ihr nun, was wir beide meinen, Winnetou und ich?“
„Ah, das also ist es! Die Weißen haben den Zug überfallen, um ihren Tribut zu bezahlen, und die drei Ogellallah waren die Exekutoren!“
„Vielleicht ist es so, vielleicht auch nicht. Sicher aber ist es, daß unsere ehrenwerten weißen Brüder bald zu einer größeren Truppe von Rothäuten stoßen werden. Das sagte ich doch bereits da unten in der Eisenbahn. Aber weiter! Glaubt Ihr etwa, daß sich Rote und Weiße zusammengetan haben, nur um sich zu pflegen und auf die Bärenhaut zu legen?“
„Auf keinen Fall!“
„Das ist auch meine Meinung. Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß sie bald eine neue Teufelei aushecken werden, besonders da die letzte so gut gelungen ist.“
„Was könnte das sein?“
„Hm, ich habe so meine Ahnung.“
„Das wäre viel! Voraus ahnen, was Leute tun werden, die man noch nicht einmal gesehen hat! Charles, ich habe in der letzten Zeit gewissermaßen Respekt vor Euch bekommen, aber mit dieser Ahnung wird es wohl nichts sein!“
„Wollen sehen! Ich habe mich genugsam unter den Indsmen umhergetrieben, um ihre Art und Weise zu kennen. Und wißt Ihr, auf welche Weise man am besten erraten kann, was ein Mensch tun wird?“
„Nun?“
„Wenn man sich recht lebhaft in die Lage versetzt, in welcher er sich
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