03 - Winnetou III
er brach zusammen wie ein Holzklotz. Der neben ihm haltende Wilde hatte bereits den Tomahawk gegen mich zum Schlag erhoben; da fiel der Schein der Flamme hell auf mein Gesicht, und er ließ erschreckt das Schlachtbeil niedersinken.
„Ka-ut-skamasti – Schmetterhand!“ rief er laut.
„Ja, hier ist Old Shatterhand. – Fahre dahin!“ rief ich.
Ich kannte mich nicht. Der zweite Hieb traf den Mann, so daß er niedersank.
„Ka-ut-skamasti!“ riefen die Indsmen zaudernd.
„Old Shatterhand!“ rief auch Walker. „Das seid Ihr, Charles? O, da begreife ich alles. Jetzt haben wir gewonnen. Drauf!“
Ich erhielt einen Messerstich in die Schulter, aber das fühlte ich gar nicht. Zwei der Wilden fielen von den Schüssen Freds, und den dritten schlug ich noch nieder. Mittlerweile kamen immer mehrere der Unsrigen herab; ihnen konnte ich die Indsmen überlassen. Ich wandte mich zu Winnetou und kniete neben ihm am Boden nieder.
„Wo ist mein Bruder getroffen?“ fragte ich.
„Ntsage tche – hier in der Brust“, antwortete er leise, die Linke auf die rechte Seite der Brust legend, welche sich von seinem Blut rötete.
Ich riß das Messer heraus und schnitt ihm die Santillo-Decke, welche sich heraufgeschoben hatte, kurzweg herunter. Ja, die Kugel war ihm in die Lunge gedrungen. Mich erfaßte ein Schmerz, wie ich ihn in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt hatte.
„Noch wird Hoffnung sein, mein Bruder“, tröstete ich.
„Mein Freund lege mich in seinen Schoß, daß ich den Kampf erkenne!“ bat er.
Ich tat es, und nun konnte er sehen, daß alle Indsmen, sobald sie sich in der Spalte sehen ließen, sofort der Reihe nach in Empfang genommen wurden. Unsere Leute kamen nach und nach alle herab. Die Gefangenen wurden von den Fesseln befreit und erhoben laute Rufe der Freude und Dankbarkeit. Ich beachtete das alles nicht; ich sah nur den sterbenden Freund, dessen Wunde aufhörte zu bluten. Ich ahnte, daß er sich innerlich verbluten werde.
„Hat mein Bruder noch einen Wunsch?“ fragte ich ihn.
Er hatte die Augen geschlossen und antwortete nicht; ich aber hielt seinen Kopf in meinen Armen und wagte nicht die geringste Bewegung.
Der alte Hillmann und die anderen von ihren Banden befreiten Settlers griffen nach den umherliegenden Waffen und drangen in die Spalte ein. Auch das beachtete ich nicht, denn mein Blick hing nur an den bronzenen Zügen und geschlossenen Augen des Apachen. Später trat Walker zu mir, welcher auch blutete, und meldete:
„Sie sind alle ausgelöscht!“
„Dieser wird auch auslöschen!“ antwortete ich. „Sie alle sind nichts gegen diesen Einen!“
Noch immer lag der Apache bewegungslos. Die braven Railroaders, welche sich so gut gehalten hatten, und die Settlers mit den Ihrigen bildeten um uns einen stummen, tief ergriffenen Kreis. Da endlich schlug Winnetou die Augen auf.
„Hat mein Bruder noch einen Wunsch?“ wiederholte ich.
Er nickte und sagte leise:
„Mein Bruder Scharlih führe diese Männer in die Gros-Ventre-Berge. Am Metsur-Flüßchen liegen solche Steine, wie sie suchen. Sie haben es verdient!“
„Was noch, Winnetou?“
„Mein Bruder vergesse den Apachen nicht. Er bete für ihn zum großen, guten Manitou! Können diese Gefangenen mit ihren wunden Gliedern klettern?“
„Ja“, antwortete ich, obgleich ich sah, wie die Hände und Füße der Settlers unter den schneidenden Fesseln gelitten hatten.
„Winnetou bittet sie, ihm das Lied von der Königin des Himmels zu singen!“
Sie hörten diese Worte. Ohne erst meine Bitte abzuwarten, winkte der alte Hillmann. Sie erklimmten einen Felsenabsatz, der zu Häupten Winnetous hervorragte, um den letzten Wunsch des Sterbenden zu erfüllen. Seine Augen folgten ihnen und schlossen sich dann, als sie oben standen. Er ergriff meine beiden Hände und hörte nun das Ave Maria beginnen:
„Es will das Licht des Tages scheiden; Nun bricht die stille Nacht herein.
Ach, könnte doch des Herzens Leiden
So, wie der Tag vergangen sein!
Ich leg' mein Flehen dir zu Füßen;
O trag's empor zu Gottes Thron,
und laß, Madonna, laß dich grüßen
Mit des Gebetes frommen Ton:
Ave, ave Maria!“
Als nun die zweite Strophe begann, öffneten sich langsam seine Augen und richteten sich mit mildem, lächelndem Ausdruck zu den Sternen empor. Dann drückte er mir die Hände und flüsterte:
„Scharlih, nicht wahr, nun kommen die Worte vom Sterben?“
Ich nickte weinend, und die dritte Strophe begann:
„Es will das Licht des Tages
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