03 - Winnetou III
den Menschen zurückgekehrt bist, von denen keiner dich so lieben wird, wie ich dich liebe, so denke zuweilen an deinen Freund und Bruder Winnetou, der dich jetzt segnet, weil du ihm ein Segen warst!“
Er, der Indianer, legte mir die Hände auf das Haupt. Ich hörte, daß er nur mit Mühe das Schluchzen unterdrücken konnte, und riß ihn mit beiden Armen an mich, indem ich weinend hervorstieß:
„Winnetou, mein Winnetou, es ist ja nur eine Ahnung, ein Schatten, der vorübergeht. Du mußt bei mir bleiben; du darfst nicht fort!“
„Ich gehe fort!“ antwortete er leise aber bestimmt, riß sich mit Überwindung seiner selbst von mir los und wendete sich nach dem Lagerplatz zurück.
Indem ich ihm folgte, suchte ich in meinem Gehirn vergeblich nach einem Mittel, ihn zu bestimmen, nicht an dem bevorstehenden Kampf teilzunehmen; ich fand keins, weil es keins gab. Was hätte ich darum gegeben, und was gäbe ich noch heute darum, wenn es mir möglich gewesen wäre, einen Ausweg zu finden!
Ich war aufs tiefste erregt, und auch er hatte trotz der Gewalt, welche er über sich besaß, seine Bewegung noch nicht überwunden, denn ich hörte, daß seine Stimme leise zitterte, als er die Leute aufforderte:
„Es ist nun vollständig dunkel, und wir wollen aufbrechen. Meine Brüder mögen mir und Old Shatterhand folgen.“
Wir kletterten einer hinter dem andern den Berg hinan, auf demselben Weg, den Winnetou vorher mit mir eingeschlagen hatte. Das leise Emporklimmen war jetzt in der Finsternis viel schwieriger als vorhin, und wir brauchten länger als eine Stunde, bis wir den Rand des Kraters erreichten. Unten brannte ein mächtiges Feuer, und bei dem Schein desselben sahen wir die Gefangenen und ihre Wächter liegen. Kein Wort, kein Laut drang herauf zu uns.
Wir befestigten zunächst das Seil, welches lang genug war, an einen Steinblock und warteten dann auf das Erscheinen der Feuer. Es dauerte nicht lange, so zeigten sich dort im Osten nacheinander drei, vier, fünf Flammen, welche den Feuern eines Lagers ganz ähnlich sahen. Jetzt blickten und horchten wir gespannt nach dem Kessel hinab. Wir sollten uns nicht getäuscht haben, denn bereits nach kurzer Zeit sahen wir einen Wilden aus einer Spalte erscheinen, der den andern einige Worte sagte. Diese erhoben sich sofort und verschwanden mit ihm durch die Spalte, um die Feuer zu betrachten.
Jetzt war es Zeit für uns. Ich ergriff den Anfang des Seiles, um den ersten zu machen, jedoch Winnetou nahm ihn mir aus der Hand.
„Der Häuptling der Apachen ist der Führer“, sagte er. „Mein Bruder komme hinter ihm.“
Es war ausgemacht worden, daß die Unsrigen uns in solchen Zwischenräumen folgen sollten, daß, nachdem das Seil den Boden erreicht hatte, sich nur je vier auf einmal an demselben befanden. Winnetou trat an. Ich ließ ihn bis zum ersten Vorsprung kommen und folgte dann. Mir folgte Fred. Es ging viel schneller bergab, als wir gedacht hatten, da wir uns kaum halten konnten. Zum Glück hielt das Seil, welches von oben langsam herab- und uns nachgelassen wurde.
Natürlich rissen wir eine Menge Steine und Geröll zur Tiefe hinab; es war ja so dunkel, daß wir dies gar nicht vermeiden konnten. Einer dieser Steine mochte ein Kind getroffen haben, denn es begann, zu schreien. Sofort erschien der Kopf eines Indianers in der vom Feuer erleuchteten Spalte. Er hörte und sah das Niederprasseln des Gerölls, blickte in die Höhe und stieß einen lauten Warnungsruf aus.
„Vorwärts, Winnetou!“ rief ich. „Es ist sonst alles verloren!“
Die Männer oben merkten, was unten vorging, und ließen das Seil schnell laufen. Eine halbe Minute später hatten wir den Boden erreicht, zu gleicher Zeit aber blitzten uns aus der Spalte einige Schüsse entgegen. Winnetou stürzte zu Boden.
Ich blieb vor Schreck halten.
„Winnetou, mein Freund“, rief ich, „hat eine Kugel getroffen?“
„Winnetou wird sterben“, antwortete er.
Da erfaßte mich eine Wut, welcher ich nicht zu widerstehen vermochte. Soeben langte Walker hinter mir an.
„Winnetou stirbt!“ rief ich ihm zu. „Drauf!“
Ich nahm mir nicht erst Zeit, den Stutzen vom Rücken zu reißen oder ein Messer oder einen Revolver zu ergreifen. Mit hoch erhobenen Fäusten stürzte ich mich auf die fünf Indianer, welche bereits aus der Spalte gedrungen waren. Der vorderste unter ihnen war der Häuptling; ich erkannte ihn sogleich.
„Ko-itse, fahre nieder!“ rief ich ihm zu.
Ein Faustschlag traf ihn an die Schläfe;
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