03 - Winnetou III
scheiden; Nun bricht des Todes Nacht herein.
Die Seele will die Schwingen breiten;
Es muß, es muß gestorben sein.
Madonna, ach, in deine Hände
Leg ich mein letztes, heißes Flehn:
Erbitte mir ein gläubig Ende
Und dann ein selig Auferstehn!
Ave, ave Maria!“
Als der letzte Ton verklungen war, wollte er sprechen – es ging nicht mehr. Ich brachte mein Ohr ganz nahe an seinen Mund, und mit der letzten Anstrengung der schwindenden Kräfte flüsterte er:
„Scharlih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl!“
Es ging ein konvulsivisches Zittern durch seinen Körper; ein Blutstrom quoll aus seinem Mund; der Häuptling der Apachen drückte nochmals meine Hände und streckte seine Glieder. Dann lösten sich seine Finger langsam von den meinigen – er war tot!
Was soll ich weiter erzählen? Die wahre Trauer liebt die Worte nicht! Käme doch bald die Zeit, in der man solche blutigen Geschichten nur noch als alte Sagen kennt!
Wir hatten dem bleichen Tod oft von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden; der wilde Westen gebietet, an jedem Augenblick auf ein plötzliches Ende gefaßt zu sein. Und doch, als der beste, der treuste Freund, den ich je besessen habe, nun als Leiche vor mir lag, wollte mir das Herz brechen; ich befand mich in einem Seelenzustand, welcher sich nicht beschreiben läßt. Welch ein herrlicher Mensch war er gewesen! Und nun so plötzlich ‚ausgelöscht, ausgelöscht!‘ Grad so wird binnen kurzem seine ganze Rasse ausgelöscht sein, deren edelster Sohn er gewesen ist.
Ich wachte die ganze Nacht hindurch, wortlos, mit heißen, trockenen Augen. Er lag in meinem Schoß, grad so, wie er gestorben war. Was ich dachte, und was ich fühlte? Wer möchte das wohl fragen! Wäre es möglich gewesen, wie gern, o wie so gern hätte ich die fernere Zeit meines Lebens mit ihm geteilt und nur die Hälfte derselben gelebt! So, wie er jetzt in meinem Schoß lag, war einst Klekih-petra in dem seinen gestorben und dann auch seine Schwester Nscho-tschi.
Seine Todesahnung hatte ihn also nicht betrogen, und mit kluger Voraussicht hatte er den Ort bestimmt, an welchem er begraben sein wollte. Da die deutschen Steinschneider dort die begehrten Halbedelsteine finden sollten, waren sie sehr gern bereit, mit hinzureiten, wodurch mir der Transport des geliebten Toten außerordentlich erleichtert wurde.
Früh am andern Morgen verließen wir den Berg, da wir jeden Augenblick das Eintreffen der Wilden erwarten konnten. Der Leichnam des Apachen wurde in Decken gehüllt und auf ein Pferd befestigt. Von hier bis in die Gros-Ventre-Berge war es nur zwei Tagesreisen; dorthin richteten wir unseren Weg, und zwar so vorsichtig, daß kein Indianer unsere Spur aufzufinden vermochte.
Am Abend des zweiten Tages erreichten wir das Tal des Metsur-Flüßchens. Dort haben wir den Indianer begraben, unter christlichen Gebeten und mit den Ehren, die einem so großen Häuptling bewiesen werden müssen: Er sitzt mit seinen sämtlichen Waffen und seinem vollständigen Kriegsschmuck aufrecht auf seinem deshalb erschossenen Pferd im Innern des Erdhügels, welchen wir um ihn wölbten. Auf diesem Hügel wehen nicht die Skalpe der erschlagenen Feinde, wie man es auf dem Grab eines Häuptlings zu sehen gewohnt ist, sondern es sind drei Kreuze darauf errichtet worden.
Im Sand des Tales fanden sich nicht nur die verheißenen Steine, sondern an einer Stelle auch eine Ansammlung von Goldstaub, mit dem sich die Railroaders für den Verfolgungsritt entschädigten. Eine Anzahl von ihnen entschloß sich, mit den Settlers hier eine Ansiedlung zu gründen, welche wieder den Namen Helldorf führt. Die andern kehrten nach Echo-Cañon zurück, wo sie erfuhren, daß der Railtroubler Haller an seiner Wunde gestorben sei. Seine Mitgefangenen wurden bestraft.
Das Glöckchen, welches Winnetou vergraben hatte, ist nach der neuen Ansiedlung geholt worden, wo die Settlers wieder ein Kapellchen errichtet haben. Wenn nun seine helle Stimme erschallt und die frommen Ansiedler ihr Ave Maria ertönen lassen, so denken sie stets an den Häuptling der Apachen und sind überzeugt, daß ihm erfüllt worden ist, was er sterbend durch ihre Lippen betete:
„Madonna, ach, in deine Hände Leg ich mein letztes, heißes Flehn:
Erbitte mir ein gläubig Ende
Und dann ein selig Auferstehn!
Ave, ave Maria!“
ACHTES KAPITEL
Das Testament des Apachen
Winnetou tot! Diese beiden Worte sind genügend, um die Stimmung zu bezeichnen, in welcher ich mich damals
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