03 - Winnetou III
mir befahl er: „Laßt das Papier fallen, und gib ihm die Hände hin!“
Er war überzeugt, mich vollständig sicher zu haben; nun aber wußte ich, daß ich nicht ihm, sondern er mir gehören würde; es galt nur, die Situation schnell und kräftig auszunutzen.
„Nun, wird's? Schnell, sonst schieße ich!“ gebot mir Santer. „Fort mit dem Papier!“
Ich ließ es fallen.
„Her mit den Händen!“
Ich hielt, scheinbar gehorsam, Gates die Hände hin, doch so, daß er, als er sie zusammenbinden wollte, zwischen mich und Santer zu stehen kam.
„Weg dort, weg! Ihr steht ja meinem Gewehr im Weg!“ rief dieser ihm zu. „Wenn ich schießen will, so –“
Er kam nicht weiter in seiner Rede, denn er wurde auf eine sehr unzarte Weise von mir unterbrochen. Anstatt mich binden zu lassen, faßte ich Gates beim Leib, hob ihn empor und schleuderte ihn auf Santer, der zwar zur Seite springen wollte, doch zu spät; er wurde niedergerissen und das Gewehr ihm aus der Hand geschleudert. Im Nu war ich auch dort und kniete auf ihm. Ein Fausthieb betäubte ihn für kurze Zeit. Dann erhob ich mich ebenso schnell und donnerte die drei an:
„Da der Beweis, daß ich wirklich Old Shatterhand bin! Ihr habt euch an mir vergreifen wollen. Augenblicklich fort mit euern Waffen, sonst schieße ich! Laßt sie fallen! Auch bei mir ist es Ernst!“
Ich hatte Santer seinen Revolver aus dem Gürtel gerissen und richtete ihn auf die drei ‚wirklichen Westmänner‘, die sofort gehorchten.
„Setzt euch nieder, dort an das Grab der Häuptlingstochter – schnell, schnell!“
Sie gingen hin und setzten sich. Ich hatte ihnen grad diesen Platz angewiesen, weil ihnen da keine Waffe nahe lag.
„Nun bleibt ruhig sitzen! Es soll euch nichts geschehen, denn ihr seid getäuscht worden. Aber ein Versuch zur Flucht oder Gegenwehr kostet euch augenblicklich das Leben!“
„Das ist ja schrecklich, ganz entsetzlich!“ klagte Gates, indem er sich die Glieder rieb. „Das war ja grad, als ob ein Ball durch alle Lüfte flöge. Ich glaube, ich habe verschiedenes gebrochen!“
„Ist Eure eigene Schuld. Sorgt nun dafür, daß es nicht gar noch schlimmer kommt! Woher hattet Ihr den Riemen?“
„Von Mr. Santer.“
„Habt Ihr noch mehr?“
„Yes.“
„Gebt sie her!“
Er zog sie aus der Tasche und gab sie mir. Ich band mit ihnen Santers Füße zusammen und die Hände auf den Rücken.
„So, der liegt fest“, lachte ich vergnügt. „Soll ich etwa auch euch fesseln?“
„Danke, Sir!“ antwortete Gates. „Habe genug, vollständig genug. Werde hier ganz ruhig sitzen bleiben, so lange es Euch gefällt!“
„Daran tut Ihr sehr wohl, denn wie Ihr seht, verstehe ich keinen Spaß!“
„Danke überhaupt für allen Spaß! Und da hat man Euch für einen Fallensteller gehalten!“
„Dieser Irrtum war gar nicht groß, denn zu einem tüchtigen Trapper gehört viel mehr, als ihr zu ahnen scheint. Wie steht es denn mit eurer Jagd! Habt ihr etwas geschossen?“
„Nicht die saure Bohne!“
„Da seht euch die zwei Hennen an; die habe ich gebracht. Wenn ihr euch gut betragt, könnt ihr sie nachher braten und mitessen. Hoffentlich werdet ihr bald einsehen, daß ihr diesen Santer für einen ganz andern Menschen gehalten habt, als er ist. Es gibt keinen größeren Schuft unter der Sonne als ihn. Ihr werdet es gleich hören, denn ich sehe, daß er erwacht.“
Santer bewegte sich; er kam zu sich und schlug die Augen auf. Er sah, daß ich vor ihm stand und meinen Gürtel umschnallte. Er sah auch seine drei Gefährten, welche waffenlos am Grabmal der Indianerin saßen, und rief erschrocken:
„Was ist das? Ich – – – ich – – – bin gefesselt!“
„Ja, Ihr seid gefesselt“, nickte ich. „Die Lage ist auf ganz gemütliche Weise eine andere geworden. Ich hoffe, daß Ihr nichts dagegen habt.“
„Hund!“ knirschte er wütend.
„Pst! Verschlimmert Euer Schicksal nicht!“
„Hol dich der Teufel, Schuft!“
„Ich warne Euch noch einmal! Vorhin habe ich mir Euer Du ruhig gefallen lassen, denn die Klugheit gebot mir das. Es wäre auch klug von Euch, höflicher zu sein.“
Er sah forschend zu seinen Kameraden hinüber und rief ihnen zu:
„Habt ihr etwa geplaudert?“
„Nein“, antwortete Gates.
„Das will ich euch auch raten!“
„Was ist's? Was sollen sie nicht plaudern?“
„Nichts!“
„Oho! Heraus mit der Sprache, sonst öffne ich Euch den Mund! Also?“
„Es ist wegen dem Gold“, antwortete er gezwungenerweise,
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