03 - Winnetou III
sich befindet, so ist es recht gut möglich. Aber solche Lanzen tragen nur die Indsmen, und es müßten also – – –“ Wahrhaftig, jetzt sah auch ich es blitzen, einmal ganz oben und dann ein Stück weiter herab. „Hört, ihr Leute, das können nur Indianer sein, und es ist ein unendliches Glück, daß wir auf den Gedanken gekommen sind, hier unterzukriechen. Wären wir weiter geritten, so hätten sie uns unbedingt bemerkt, da wir die Sonne grad gegenüber haben.“
Ich nahm mein Fernrohr heraus und richtete es gegen die Schlucht. Was ich sah, war ganz geeignet, mich höchst besorgt zu machen.
„Hier, Sam, sieh dir die Kerls einmal genauer an! Es sind ihrer wenigstens hundertundfünfzig.“
Er nahm das Glas an das Auge und gab es dann Bernard.
„Guckt Euch einmal die Rothäute an, Master Marshal! Habt Ihr vielleicht bereits einmal mit diesen Comanchen zu tun gehabt?“
„Noch nicht. Es sind also Comanchen?“
„Ja. Der Gegend nach könnten es wohl auch Apachen sein; aber diese tragen den Schopf anders als die Kerls, die dort herabkommen. Seht Ihr die roten und blauen Farben, mit denen sie ihre Visagen bemalt haben? Das ist das sicherste Zeichen, daß sie sich auf dem Kriegspfad befinden. Darum haben sie die Lanzenspitzen so blank geschliffen, und in jedem Köcher stecken einige vergiftete Pfeile, mit denen ich heut zum Beispiel noch gar nicht gern zu tun haben mag. Was meinst du, Charley, wenn sie hier vorüberkämen?“
„Sie würden uns unbedingt bemerken.“
„Wenn man nur hinaus könnte, um den Zweig zu entfernen und unsere Spuren zu verwischen; das geht aber nicht!“
„Würde auch nichts helfen, Sam, denn sie würden weiter oben unsere Fährte doch bemerken und diese sicherlich bis hierher verfolgen.“
„Das weiß ich; aber wir könnten dann Zeit gewinnen, hier auszubrechen und uns zu salvieren, ehe sie zurückkämen.“
„Das ist richtig. Die Hufspuren sind gleich hier am Rand. Vielleicht geht es, auch ohne daß man hinaustritt.“
Hinter mir stand ein dürres, dünnes Fichtenstämmchen. Ich schnitt es ab und angelte mit ihm den Zweig herein; dann suchte ich mir eine Stelle, an welcher dürre Nadeln auf dem Boden lagen, sammelte einige Handvoll davon und säte sie über die Spur hinweg, welche allerdings so schwach war, daß sie nur von dem scharfen Auge eines Indianers bemerkt werden konnte.
„Wollen sehen, ob es hilft, Charley! Mich würdest du damit nicht täuschen.“
„Inwiefern?“
„Hat ein Ahorn Kiefernadeln?“
Allerdings stand gerade über den Hufspuren ein Ahorn, aber die Sache war nun einmal nicht zu ändern. Übrigens nahmen nun die Indsmen unsere vollständige Aufmerksamkeit in Anspruch. Sie hatten eben den unteren Teil der Schlucht erreicht, blieben dort halten und schickten einige Krieger auf Späh aus.
„Heigh-day, sie kommen nicht hierher!“ rief Sam erfreut.
„Woraus seht Ihr das?“ fragte Bernard.
„Erkläre es ihm, Charley, da du dich einmal seiner als Lehrmeister angenommen hast!“
„Sehr einfach. Von den drei Männern, welche rekognoszieren, reiten zwei längs der Höhe stromab und einer auf das Wasser zu. Sie wollen also übersetzen, werden aber nicht aufwärts kommen, da sie in diesem Fall das Terrain nicht ab-, sondern aufwärts untersuchen würden. Die zwei sollen das Terrain nach Spuren, also nach seiner Sicherheit untersuchen, während der dritte sehen soll, ob der Pecos hier zum Durchschwimmen geeignet ist.“
Bald kehrten alle drei zu den Wartenden zurück; sie schienen befriedigende Kunde zu bringen, denn die Truppe setzte sich direkt auf das Wasser zu in Bewegung. Wir konnten sie jetzt mit bloßem Auge zählen, und es ergab sich, daß ich sie eher etwas zu niedrig als zu hoch geschätzt hatte. Es waren lauter junge, kräftige Leute, die zu zwei Stämmen oder Dörfern gehören mußten, da zwei Häuptlinge an ihrer Spitze ritten.
„Die beiden mit den Adlerfedern im Haar sind die Häuptlinge?“ fragte Bernard.
„Ja.“
„Ich hörte, daß diese stets Schimmel ritten!“
„Schimmel? Hihihihi!“ lachte Sam belustigt vor sich hin.
„Da seid Ihr sehr falsch berichtet, Bernard!“ meinte ich. „Drüben im alten Land kommt es wohl vor, daß ein Feldherr einen Lieblingsschimmel reitet, hier aber nicht. Der Indianer ist überhaupt kein Freund der hellen Farben beim Pferd, und kann er schon auf der Jagd keinen Schimmel gebrauchen, weil das Weiß sein Wild verscheucht, so bei einem Kriegszug erst recht nicht. Nur im Winter, wo
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