03 - Winnetou III
rief nur dies eine Wort, aber es lag in dem Ton eine Freude, die ein stolzer Indsman lieber beherrscht, als laut erklingen läßt. Dann schlang er die Arme um mich und drückte mich an sich. Ich freute mich natürlich außerordentlich über dieses Zusammentreffen und fragte: „Was tut mein Bruder an dieser Stelle des Pecos?“
Er steckte den Tomahawk in den Gürtel.
„Die Flöhe der Comanchen haben ihr Lager verlassen, um dem Apachen ihr Blut zu geben. Der große Geist sagt, daß Winnetou ihre Skalps nehmen wird. Was tut mein weißer Bruder in diesem Tal? Sagte er nicht vor vielen Monden, daß er wieder über das große Wasser ziehen werde zum Wigwam seines Vaters und seiner Schwestern? Wollte er nicht dann hinüber in die große Wüste, welche fürchterlicher ist, als die Mapimi und der Estaccado?“
„Ich habe das Wigwam des Vaters gesehen und bin in der Sahara gewesen; aber der Geist der Savanne hat mich gerufen im Licht des Tages und im Traum der Nacht; ich bin seiner Stimme gefolgt.“
„Mein weißer Bruder hat recht getan! Das Herz der Prärie ist groß und weit; es faßt das Leben und den Tod, und wer seinen Puls gefühlt hat, der darf wohl gehen, aber er kommt immer wieder zurück. Howgh!“
Er nahm sein Pferd beim Zügel und trat mit mir unter die Bäume. Hier erst erblickte er meine Begleiter; aber obgleich ich mit keinem Wort derselben gedacht hatte, zeigte er sich nicht im mindesten überrascht, vielmehr tat er, als habe er sie gar nicht bemerkt. Er griff in die Satteltasche, zog Pfeife und Tabaksbeutel hervor und setzte sich mit würdevoller Haltung nieder.
„Winnetou ist weit im Norden am großen See gewesen, um den heiligen Ton für sein Calumet zu graben, und Scharlieh ist der erste, welcher mit ihm rauchen wird.“
„Es werden heut noch andere mit meinem roten Bruder rauchen.“
„Winnetou raucht nur mit tapferen Männern, in deren Herzen kein Falsch ist, und auf deren Lippe die Wahrheit wohnt; doch er weiß, daß sein weißer Bruder auch nur mit solchen Männern redet.“
„Hat der große Häuptling der Apachen gehört von Sans-ear, dem tapferen, klugen Jäger?“
„Winnetou kennt ihn, aber er hat ihn noch nicht gesehen. Sans-ear ist listig wie die Schlange, klug wie der Fuchs und tapfer wie der Jaguar. Er trinkt das Blut der roten Männer und hat ihren Tod eingegraben auf dem Kolben seiner Büchse; aber sie haben ihm getötet sein Weib und sein Kind; er tötet nur die Bösen. Ich sehe sein Pferd; warum kommt er nicht zu Winnetou, um mit ihm zu rauchen die Pfeife des Friedens?“
Sam erhob sich und trat herbei, aber ich sah es ihm an, daß er sich einigermaßen verlegen fühlte in der Gegenwart des Mannes, der als der größte, tapferste und gerechteste Krieger aller Savannen bekannt war.
„Mein roter Bruder hat recht gesagt; ich töte nur die Bösen, den Guten aber gehört meine Hilfe“, sagte er in bescheidenem Ton.
Ich winkte auch Bernard herbei.
„Der Häuptling der Apachen möge sein Auge leuchten lassen auch über diesen Krieger. Er war ein sehr reicher Mann; die weißen Mörder aber haben ihm seinen Vater getötet und seine Diamanten und Dollars geraubt. Der Mörder ist hier am Rio Pecos; er wird sterben von seiner Hand!“
„Winnetou ist sein Bruder; er wird ihm helfen, den Mörder seines Vaters zu ergreifen. Howgh!“
Dieses letzte Wort galt bei Winnetou stets als eine Beteuerung, die er sicherlich erfüllte. Ich hatte also für Bernard eine Kraft, eine Hilfe gewonnen, wie wir uns keine bessere wünschen konnten. Der Apache hatte jetzt seine Pfeife gestopft und steckte sie in Brand. Nachdem er den Rauch dreimal empor zum Himmel und dreimal nieder zur Erde geblasen hatte, stieß er ihn nach den vier Himmelsrichtungen aus und gab dann mir das Calumet. Ich tat ebenso und gab es Sam. Nachdem auch Marshal die Zeremonie beendet hatte, ging es in die Hände Winnetous zurück. Dann erkundigte sich Sam bei dem Apachen:
„Mein roter Bruder hat viele Krieger in der Nähe?“
„Uff!“
Dies war bei Winnetou stets ein Ausruf des Erstaunens. Sam kannte die Gewohnheiten des Apachen noch nicht, und da er nur dies eine Wort zur Antwort bekam, so glaubte er, falsch verstanden worden zu sein; daher wiederholte er:
„Ich fragte, ob mein roter Bruder seine Krieger in der Nähe hat?“
„Uff! Mein weißer Bruder mag mir sagen, wieviele Bären sein müssen, um tausend Ameisen zu zertreten!“
„Nur einer.“
„Und wie viele Krokodile, um hundert Kröten zu
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