03 - Winnetou III
sentimentalen Betrachtungen; hier konnten nur Taten retten, und um zu diesen befähigt zu sein, bedurfte ich vor allen Dingen der Ruhe und des Schlafes. Ich empfahl mich dem Schutz Gottes, schloß die Augen und … öffnete sie wieder, als die Sonne bereits hoch am Himmel stand; so lange hatte ich geschlafen.
Jetzt suchte ich zunächst einen verborgenen Platz, an welchem es ein wenig Weide gab; da band ich mein Pferd an und machte mich dann auf, den Schauplatz der gestrigen Katastrophe zu besuchen. Es war ein außerordentlich gefährliches Unternehmen, aber es mußte gewagt werden, wenn ich den Gefährten nützlich sein wollte. Schritt um Schritt pirschte ich mich zur Höhe empor, um eine Strecke zurückzulegen, welche ein langsamer Fußgänger in zehn Minuten durchgeht, brauchte ich zwei volle Stunden; dann aber ging es, und nun mit verzehnfachter Vorsicht, bergab. Eben wollte ich an einer ziemlich alten Steineiche vorüber, als ich einen ganz eigentümlichen Laut vernahm.
„Pst!“
Ich blickte mich um, konnte aber nichts bemerken.
„Pst!“
Jetzt hörte ich, daß der Laut von oben kam, und schaute empor.
„Pst, Massa!“
Ah, da droben über dem ersten Ast des Baumes war ein Loch ausgefault und aus demselben grinste mir das schwarze Gesicht Bobs freundlich lachend entgegen.
„Wart, Massa, Bob kommen!“ flüsterte er von oben herab.
Dann hörte ich ein Geräusch, ähnlich demjenigen, welches ein im Zimmer Sitzender vernimmt, wenn ein Schornsteinfeger in der nebenan emporführenden Esse arbeitet, und gleich darauf bewegten sich die Haselruten, welche rund um den Stamm des Baumes aufgeschossen waren.
„Massa kommen herein in Zimmer; kein Indian' finden dann klug Bob und Massa!“
Ich kroch hinein und befand mich im Inneren des hohlen Baumes, dessen Öffnung durch die Haseln vollständig verdeckt wurde.
„Lack-a-day, wie hast du diesen Aufenthalt entdeckt“, fragte ich.
„Viehzeug reißen aus vor Bob, kriechen in Baum und gucken oben durch Fenster. Bob können machen auch so.“
„Was war es für ein Tier?“
„Bob wissen nicht. Waren so groß, haben vier Beine, zwei Augen und einen Schwanz.“
Infolge dieser ebenso genauen wie geistreichen Schilderung kam ich auf die Idee, daß es ein Waschbär gewesen sei.
„Wann hast du den Baum entdeckt?“
„Gleich als Indian' kommen.“
„Also seit gestern hast du hier gesteckt! Was hast du alles gehört und gesehen?“
„Bob haben hören und sehen viel Indian'.“
„Weiter nichts?“
„Sein das nicht genug?“
„Waren keine Wilden hier?“
„Waren hier, haben suchen, aber nicht finden Bob. Dann machen Feuer, als Abend sein und braten Schinken vom Bär, den Massa haben schlachten. Warum dürfen fressen unsern Bär?“
Die Indignation des guten Schwarzen war jedenfalls eine sehr gerechtfertigte, konnte aber leider das Faktum nicht ändern.
„Weiter!“
„Dann werden es Morgen, und sein Indian' fort.“
„Ah, fort! Wohin?“
„Bob nicht wissen, denn nicht können gehen mit, aber sehen viele Indian' fort aus Tal. Klein Fenster droben können sehen alles. War auch dabei Massa Winnetou und Massa Sam und Massa Bern'. Haben viel Strick und Riemen um Leib.“
„Und dann?“
„Dann? Dann schleich Indian' hierher und dorther; wollen Bob fangen, aber Bob sein klug.“
„Wie viele sind noch da?“
„Nicht wissen Bob, aber wo sind, das wissen.“
„Nun, wo?“
„Drüben bei Bär. Bob kann sehen durch Fenster.“
Ich blickte in die Höhe. Es war möglich, sich im Innern des hohlen Baumes emporzuarbeiten; Bob hatte das bewiesen. Ich versuchte es ebenso, und es gelang. Oben bei dem Loch angekommen, welches Bob Fenster nannte, konnte ich wirklich einen Blick hinüber nach der jenseitigen Talwand werfen; es war so ziemlich ein Blick aus der Vogelschau. Und wahrhaftig, am Stamm der Blutbuche, auf welche sich Bob vor dem Bären gerettet hatte, sah ich die Gestalt eines Indianers hocken. Man hatte die Gefangenen weggeführt und eine heimliche Besatzung im Tal zurückgelassen, um, wenn wir zurückkehrten, was doch auf alle Fälle zu erwarten war, uns festzunehmen.
Was war zu tun? Ich kletterte wieder hinab.
„Es ist nur einer da drüben, Bob!“ sagte ich.
„Wo anders sein noch einer und noch einer, aber Bob nicht wissen.“
„Erwarte mich hier!“
„Massa wollen gehen? Oh, Massa lieber bleiben hier bei Bob.“
„Wir müssen sehen, daß wir unsere Freunde retten können.“
„Retten? Retten Massa Bern'? Oh, oh, das sein
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