03 - Winnetou III
Prärie, wo die Gebeine von tausend Jägern bleichen!“
„Das Verlangen meines Bruders ist gerecht; er möge die Mörder nehmen aus den Händen der andern!“
„Sam“ – sagte ich leise, indem ich mich zu ihm neigte, damit die andern meine Worte nicht hörten – „beflecke dich nicht mit dem Blut der Mörder, indem du sie als Wehrlose kaltblütig niederschießt. Solche Rache entehrt einen Christenmenschen und ist Sünde. Überlaß sie dem Neger!“
Der harte Jäger starrte finster vor sich nieder und schwieg. Um ihm Zeit zum Überlegen zu geben, trat ich mit Bernard zu dem Pferd Fred Morgans. Wir fanden in den Satteltaschen einige Perlen, welche der Juwelier als die seinigen erkannte; weiter nichts. Wir untersuchten nun ihn selbst und fanden endlich ein Päckchen, welches mit Hirschsehne an die innere Seite seines Büffelhemdes angenäht war. Es enthielt Banknoten in nicht unbedeutendem Wert; dies war jedenfalls der Anteil, den er Holfert abgenommen hatte. Bernard steckte das Päckchen zu sich.
In diesem Augenblick vernahm ich von dem Platz her, an welchem unsere Pferde standen, ein ängstliches Schnauben. Es war mir, als könne dies nur mein Mustang gewesen sein. Ich schritt also hinzu und sah, wie das Pferd mit gesträubter Mähne und funkelnden Augen am Riemen zerrte, um sich zu befreien. Entweder gab es ein Raubtier in der Nähe, oder es waren Indianer da. Ich stieß einen Warnungsruf aus; dieser aber wurde nicht vernommen, denn in demselben Augenblick erscholl draußen von der Wiese her ein entsetzliches Geheul.
Schnell war ich am Rand des Buschwerkes und blickte durch die Zweige. Was ich sah, war fürchterlich. Der ganze Platz wimmelte von Wilden. Drei oder vier knieten über Sam, den sie niedergerissen hatten; zwei hatten zu gleicher Zeit miteinander den Lasso über Winnetou geworfen und schleiften ihn an der Erde hin; Hoblyn lag mit zerschmettertem Schädel am Boden, und Bernard konnte ich gar nicht erkennen, so viele hatten ihn gefaßt. Wo Bob steckte, konnte ich nicht sehen.
Die Racurroh waren also dem Kapitän wirklich gefolgt, hatten sich während der Gerichtsszene unbemerkt herangeschlichen und waren nun so unerwartet über die Gefährten hergefallen, daß eine Gegenwehr der reine Wahnsinn gewesen wäre. Was konnte ich für sie tun? Nichts, als mich retten. Es wäre mir möglich gewesen, ein halbes Dutzend der Indsmen niederzuschießen, aber wem war damit geholfen? Getötet war außer Hoblyn noch keiner, und soweit ich die Comanchen kannte, ließ sich erwarten, daß sie die Überrumpelten als Gefangene mit sich führen würden, um sie daheim einen langsamen Martertod sterben zu lassen. Ich kehrte also zu meinem Pferd zurück, band es los und kletterte, es hinter mir herziehend, so schnell wie möglich zur Höhe empor. Etwas anderes mit mir zu retten, dazu gab es keine Zeit, denn die Wilden hatten mich jedenfalls in das Gesträuch treten sehen und ließen es sich sicher angelegen sein, mich zu fangen.
Die bedeutende Steilung machte es mir außerordentlich schwer, mit dem Pferd vorwärtszukommen; aber als ich die Höhe erreicht hatte, hörte das hindernde Unterholz auf. Ich stieg in den Sattel und verfolgte den lang sich hindehnenden Bergesrücken mit einer Hast, als ob die ganze Indianerhorde hinter mir her sei. Drüben ging es wieder in ein Tal hinab. Ich gab mir nicht die mindeste Mühe, meine Spur zu verbergen, im Gegenteil, ich wußte, daß sie sicher gefunden und verfolgt würde, und wollte die Verfolger irreleiten.
So ritt ich, ohne anzuhalten, einen großes Teil des Tages immer nach West, bis ich einen Wasserlauf erreichte, der meinem Zweck dienlich war. Ich lenkte mein Pferd in das Wasser, welches über ein felsiges Bett hinfloß, in dem die Hufe keine Eindrücke hinterlassen konnten, und ritt in demselben so lange aufwärts, bis ich glaubte, daß die Verfolger ermüden würden; dann band ich ihm die Lappen um die Füße und kehrte auf einem Umweg nach dem Ausgangspunkt meines Fluchtrittes zurück.
Die Sonne war bereits untergegangen, als ich den Höhenzug erblickte, hinter welchem das verhängnisvolle Tal lag. Weiter durfte ich mich nicht nähern, und so suchte ich mir im Wald eine moosige Stelle, welche sich zum Lager eignete. Mein Pferd war durch die Umhüllung seiner Füße so ermüdet worden, daß es keine Lust zum Fressen verspürte, sondern sich sofort neben mich auf den Boden warf.
Wie so schnell hatten sich die Verhältnisse geändert! Aber ich war nicht aufgelegt zu
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