030 - Bei den drei Eichen
Gesicht seines Bruders.
»Beachten Sie ihn einfach nicht, Molly !« sagte er. »Ich werde Sie bis zu Ihrer Tür begleiten.«
»Es könnte ihr auch etwas zustoßen, wenn du nicht an ihrer Seite bist«, rief Socrates ihnen nach, aber die Tür schnappte sehr vernehmlich ins Schloß, bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte.
Eine Viertelstunde später tauchte Lexington wieder auf.
»Wir sind noch ein Weilchen draußen auf und ab gegangen.«
»Das habe ich mir gedacht«, entgegnete sein Bruder, der die beiden Schlüssel aus dem verbrannten Schreibtisch vor sich liegen hatte. »Pfuhl im ... Pfuhl im . . .« Er schnipste mit dem Finger gegen das halbverkohlte Pappschild.
»Ist es der Name eines Dorfes, Soc?«
»Das hatte ich gehofft. Es gibt eine ganze Menge ausgefallener Ortsnamen in Verbindung mit Wald, Heide, Moor; aber keiner fängt mit Pfuhl an. So muß es eine Farm sein, und die einzige Gegend, wo Farmer solche malerischen Namen tragen, ist Devonshire. Ich tippe auf ›Pfuhl im Moore.« »Warum bist du eigentlich so begierig darauf, es herauszukriegen?«
»Warum war John Mandle so darauf bedacht, den Namen geheimzuhalten, so sehr, daß er die Schlüssel im Geheimfach seines Schreibtisches aufbewahrte?«
»Und was willst du nun tun?«
»Ich werde morgen telegrafisch bei dem größten Grundstücksmakler von Devonshire anfragen, ob es einen ›Pfuhl im Moor‹ gibt. Wenn ich bei ihm kein Glück habe, werde ich es mit dem Wald von Sussex versuchen und schließlich mit dem Fennland. Weiß der Kuckuck, warum die Leute ihre Farmen nicht mit christlichen Namen bezeichnen ...! Schluß für heute! Kommst du noch ein bißchen mit mir ins Freie? Ich gebe allerdings zu, daß ich nicht schön bin und daß meine Hand, die du ja selten hältst, rauh und hart ist.«
»Ich halte niemandes Hand, Soc«, brauste der Jüngere auf. »Du fällst mir allmählich lästig mit deinen Anspielungen.«
»Na, komm schon. Gehen wir zur Brandstätte - vielleicht kommt uns dort eine Erleuchtung.«
Sie gingen mit raschen Schritten. Der Regen hatte aufgehört, und im Mondlicht schlängelten sich noch immer dünne, weiße Rauchfäden von den Ruinen empor. Nur der Pavillon stand unversehrt inmitten der Verwüstung.
»Glaubst du ernstlich, daß Jetheroe etwas über den Mord weiß, Soc?«
»Ich bin sogar ganz sicher«, lautete die Antwort, die Lexington verblüffte, da er nichts von Gritts Anschuldigung wußte.
Socrates gab dem Bruder eine kurze Zusammenfassung der Aussagen des Gärtners und schloß: »Für mich besteht kein Zweifel, daß Jetheroe Zeuge des Mordes wurde. Und was ich vor dem Abendessen aus Molly herausgefragt habe, bestätigt Gritts Angaben in jedem Punkt. Sie hatte erzählt, daß Jetheroe aus dem Haus gegangen war, um den Mann zu suchen, der sie auf ihrem Weg durchs Tal so erschreckt hatte. Inzwischen habe sie auf dem Sofa gelegen und gelesen; sie hat sogar Gritts Schritte auf dem Kiesweg gehört.«
»Aber nicht den Schuß?«
»Nein, den nicht. Aber das läßt sich dadurch erklären, daß das Fenster nach Norden geht, während der Knall von Süden oder richtiger von Südosten kam. Außerdem . . .«
Die Brüder blieben wie angewurzelt stehen.
Ein Knall, erschreckend deutlich in der stillen Nacht, ließ ihren Fuß stocken.
»Ein Revolverschuß!« flüsterte Lexington, dessen Herz ein wenig schneller schlug.
»Nein, es war ein Schuß aus einer automatischen Pistole, wie dir die Art des Knalls hätte sagen können«, erklärte Socrates. »Und zwar kam er aus Richtung der Drei Eichen.«
Er nahm seine kleine Taschenlampe und ließ den Strahl die Hecke entlangstreifen.
»Hier ist der Pfad. Jetzt ruhig Blut, Lex! Und was du sonst auch immer tust - halte dich aus meiner Schußrichtung!«
Wie durch Zauber war in seiner rechten Hand eine großkalibrige Waffe mit kurzem Lauf aufgetaucht. Er rannte den gewundenen Pfad entlang, mäßigte aber bald seine Eile und schaltete die Lampe aus, als der Weg in das Buschwerk einzudringen begann; in Sicht des gegen den blauschwarzen Nachthimmel klar erkennbaren großen Astes blieb er eine Sekunde stehen. Kein Laut außer ihrem eigenen Atem war vernehmbar. Vorsichtig schritt er weiter und suchte den Boden mit seiner Taschenlampe ab.
»Großer Gott!« flüsterte er plötzlich.
Es war derselbe Ausruf, den er an dieser Stelle schon einmal hervorgestoßen hatte, und es war der gleiche Anlaß. Unter dem Ast lag, die Arme bewegungslos ausgestreckt, ein Mann auf seinem Gesicht. Ein Blutfaden
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