030 - Die Teufelshexe
vernehmen, die immer dann stehenblieben, wenn sie sich nicht rührte.
Das Herz klopfte Gundel bis zum Hals hinauf. Sie fror. Ihr Kopf tat rasend weh, und immer noch stand das abscheuliche Bild von ihrem blutüberströmten Onkel vor ihr.
Gundel schluckte und kroch weiter. Obwohl sie noch ein Kind war, war ihr klar, daß sie sich nicht schnell bewegen durfte. Sobald sie hastiger weiterkroch, würde ihr Verfolger sie rascher finden können.
Endlich gelangte sie an eine Lichtung. Und gerade kam der Mond hinter einer Wolke hervor.
Gundel preßte sich fest an den Grasboden, sie atmete flach. Jetzt war die Lichtung silberhell beschienen.
Vorsichtig hob das Kind den Kopf. Ihr großes, erschrockenes Augenpaar starrte zu den Bäumen hinüber.
Dort bewegte sich etwas.
Gundel preßte die Zähne in die Unterlippe. Ihr Herz jagte. Schnell senkte sie den Kopf wieder.
Sie wartete angstvoll, ob man sie gesehen hatte.
Als sie den Kopf nach Minuten wieder hob, wurde das Entsetzen übermächtig in ihr.
Eine riesige schwarze Gestalt kam über die Lichtung direkt auf sie zu.
Gundel erkannte in ihr die Mörderin sofort wieder. Genauso hatte die Frau ausgesehen, die ihnen gefolgt war, die ihren Onkel von rückwärts mit unheimlicher Stimme angesprochen hatte. »Nicht umdrehen. Ihr alle habt Dominique auf dem Gewissen, Stanek. Und dafür werdet ihr mir büßen. Du bist der vorletzte, Paul Stanek...«
Ganz deutlich konnte sich Gundel an diese Worte erinnern. Und dann hielt sie es nicht mehr aus. Sie sprang hoch und jagte über die Lichtung, bestrebt, eine möglichst große Entfernung zwischen sich und die Mörderin zu legen.
Doch auch die Frau in Schwarz hatte das Kind gesehen. Sie korrigierte die Richtung, ging viel schneller als vorher und versuchte ihr den Weg abzuschneiden.
Es war für Gundel ein Lauf um Leben und Tod!
Wie von Sinnen war das Kind.
Erst jetzt versuchte es zu schreien. Sie hörte Atem und öffnete den Mund, doch sie brachte keinen Ton heraus. Sie war stumm. Sie konnte nicht mehr um Hilfe rufen, sich nicht mehr bemerkbar machen.
Doch gerade jetzt wurde es wieder stockfinster. Diesmal verschwand der Sichelmond für lange Zeit hinter einer schwarzen Wolke.
Das war Gundels Rettung. Ihr Instinkt riet ihr, die Richtung zu wechseln, und im selben Augenblick sah sie den See zwischen den Bäumen schimmern.
Gundel jagte auf das Wasser zu. Ihr war es jetzt gleichgültig, ob die Mörderin sie hören konnte.
Sie sprang in den unbekannten Teich, der voller Schlingpflanzen und Seerosen war, und tauchte.
Immer tiefer glitt sie in das dunkle Wasser. Einmal nur tauchte sie auf, um Luft zu holen, da stieß sie gegen das Ufer.
Wie gelähmt sah sie die große schwarze Gestalt am Ufer stehen. Die Axt in der Hand der Mörderin funkelte schwach.
»Komm heraus, du bist verloren«, sprach die heisere Stimme sie an. »Du kannst mir nicht mehr entkommen.«
***
Kitty Dobson und Martha Flanders hatten sich geeinigt, daß eine von ihnen immer Wache halten müßte.
Mit schußbereiter Waffe saß Kitty jetzt in der großen Diele und lauschte.
Percy, der Pudel der Bernhardis, strolchte draußen im Garten herum. Seine Hundehütte war draußen, aber Diana hatte die Mädchen gewarnt. »Glauben Sie bloß nicht, daß er ein Wachhund ist. Wenn man ihn streichelt, ist er mit jedem gut Freund.«
Wenn der Köter nur nicht immer soviel Lärm machen würde, dachte Kitty. Es war schwer für sie, die vielfältigen Geräusche zu unterscheiden. Daß die Bernhardis auch noch eine Katze hatten, für die oben im ersten Stockwerk die Balkontür immer einen Spalt offenstand, damit sie im Haus ein und aus gehen konnte, erfuhr Kitty erst später.
Jetzt zerbrach sie sich den Kopf darüber, wen Percy da draußen wohl jagte. Mal war er hinter dem Haus, mal vor dem Haus. Sein Bellen klang schon ganz heiser.
Kitty überlegte, ob Diana die Gewohnheiten des Hundes nicht falsch beurteilte, und stand auf. Es war dunkel, und ihr Schatten bewegte sich zum Flurfenster neben der Haustür.
Aber draußen war nichts zu erkennen. Sie mußte morgen veranlassen, daß der Hund eingesperrt wurde.
Oder hatte der Hund das Monster entdeckt, das ins Haus eindringen wollte?
Kitty überzeugte sich, daß die Haustür gut verschlossen und auch noch der Sicherheitsriegel herumgelegt war, dann huschte sie im Dunkeln zu den hintersten Räumen. In der Küche stieß sie sich schmerzhaft das Bein am Mülleimer.
»Was, zum Teufel, ist eigentlich los?« raunte es hinter ihr.
Voller
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