0300 - Die Messermörder von Manhattan
sie trinken wolle.
»Irgend etwas. Es ist mir ganz gleich«, meinte sie. Ich bestellte zwei doppelte Scotchs.
Ich hoffte, dass der Whisky - in Verbindung mit dem bereits genossenen Champagner - sie zum Reden bringen würde.
»Kennen Sie mich immer noch nicht, Vilma?«, fragte ich.
»Nein. Ihr Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich weiß nicht, so ich Sie hintun soll.«
»Dann will ich es Ihnen sagen… In das Duncan’s Down, wo Sie vor fünf Tagen mit Larry Cole saßen, als dieser erschossen wurde.«
»Oh!«, sagte sie nur, und Angst stand in ihren Augen. »Das war furchtbar.«
»Es gibt Leute, die behaupten, Sie hätten Larry dorthin geschleppt, um einem Mörder eine gute Gelegenheit zu verschaffen.«
»Wie sollte ich dazu kommen, Mister…«, sie sah mich fragend an.
»Nennen Sie mich Jerry. Das genügt. Ich weiß nicht, wie Sie dazu kommen sollten, aber wie gesagt, jemand behauptet, es zu wissen.«
»Das ist eine Verleumdung«, protestierte sie. »Ich kannte Larry erst seit ein paar Tagen. Es war ganz merkwürdig, wie wir uns kennenlernten. Ich stolperte beim Aussteigen aus dem Bus, und er fing mich auf. Dann machte er dasselbe, was Sie jetzt tun. Er lud mich zu einem Drink ein. Ich muss sagen, er gefiel mir, und so tat ich, was ich nicht hätte tun dürfen: ich verabredete mich für den nächsten Abend mit ihm. Da machte er den Vorschlag, mir einmal etwas besonders Interessantes zu zeigen. Er führte mich in jene Kneipe in der Bowery. Ich muss sagen, wir unterhielten uns herrlich. Eigentlich wollte ich es bei diesem Treffen belassen. Aber ich ließ mich überreden. Und so kam es, dass ich an jenem Abend wieder mit ihm dort saß. Ich habe dann in den Zeitungen gelesen, dass Larry ein Gangster war, aber ich hatte vorher keine Ahnung davon. Mir gegenüber war er immer nett und zuvorkommend.«
»Hat er Ihnen nicht erzählt, dass er eine Freundin hat?«
»Er sprach von einem Girl namens Joyce, aber er wollte mit ihr Schluss machen. Er sagte, sie sei eine Schlampe.«
»Wer sind denn die alte Dame und der junge Mann, mit denen ich Sie heute zum zweiten Mal gesehen habe?«
»Mit Jack bin ich so gut wie verlobt. Die alte Frau ist seine Großmutter und hat anscheinend sehr viel Geld. Ich könnte mir einen besseren und sympathischeren Ehemann wünschen als Jack. Aber ich habe keine Lust, einen kleinen Angestellten oder Beamten zu heiraten und mein ganzes Leben lang sparen zu müssen.«
»Woher hat die alte Dame so viel Geld?«
»Sie heißt Walker und hat ein Haus in Richmond. Sie ist Witwe und soviel ich gehört habe, war ihr Mann an der Börse. Ihr Sohn und dessen Frau, Jacks Eltern, sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Jack wurde von seiner Großmutter erzogen und«, sie lachte leise, »er hat heute noch eine höllische Angst vor ihr.«
Das hatte ich gemerkt.
Vilma blickte auf ihre Armbanduhr und stieß einen leisen Schrei aus.
»Good Lord! Es ist schon vier Uhr. Ich muss machen, dass ich nach Hause komme. Würden Sie mir ein Taxi besorgen?«
»Ich weiß noch etwas Besseres. Ich werden Sie nach Hause bringen. Mein Wagen steht nicht weit von hier auf einem Parkplatz.«
»Da wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar, Jerry«, lächelte sie. »Allerdings möchte ich sehen, ob ich vielleicht meinen Mantel wiederbekomme, den ich in der Aufregung in der Akropolis Bar habe hängen lassen. Ich friere.«
Das war in dieser kühlen Novembernacht erklärlich.
Als wir zurückkamen, war der Bürgersteig vor der Bar von den Cops abgesperrt. Ich musste meinen Ausweis zücken, um hineinzukommen. Drinnen sah es wüst aus.
Aber mein erster Eindruck, dass es sich nicht um Sprengkörper, sondern lediglich um Tränengasbomben gehandelt habe, bestätigte sich.
Ich war überrascht, als ich außer den Cops und den Detectives vom Riot Squad, auch ein paar Leute von der Mordkommission sah, die aus den hinteren Räumen kamen.
***
Wir fanden unsere Mäntel. Dann gingen wir zu meinem Jaguar.
Neben ihm stand eine dunkle Limousine, um die ich mich nicht weiter kümmerte.
»Hallo, Vilma, da wären wir«, sagte ich und holte den Zündschlüssel aus der Tasche.
Hinter der Limousine tauchte plötzlich ein Mann auf. Er hatte die Hutkrempe tief ins Gesicht gezogen und stand regungslos.
Plötzlich machte er eine schnelle Bewegung mit dem rechten Arm… Etwas Blitzendes schwirrte durch die Luft. Ich fühlte einen harten Schlag gegen die linke Brustseite. Vilma schrie gellend auf, krallte sich an meinen rechten
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