0300 - Die Messermörder von Manhattan
an?«
»Wir sind Barneys Leute. Ihren Ausweis bitte.«
Um ein Haar hätte ich gelacht.
Es war das erste Mal in meiner Laufbahn, dass ein Gangster mich nach meinem Ausweis fragte. Alle, denen ich bisher begegnet war, waren glücklich, wenn ich ihn stecken ließ.
Ich spielte mit und hielt ihnen die Zellophanhülle hin.
Sie studierten sie, dann sagte der eine:
»Nichts für ungut, Mister Cotton. Bitte.«
Ich klinkte die Tür auf.
Ich sah vor mir keines der üblichen Hinterzimmer; augenscheinlich war dies 46 der Aufenthaltsraum und Büroraum des Chinesen. Es gab einen Schreibtisch, einen Rauchtisch mit kupferner Platte und zwei geschnitzte Sessel. Auf dem Rauchtisch stand eine Flasche Brandy, und in einem der Sessel saß Barney Leget.
Er mochte an die fünfzig Jahre alt sein und fing an, Fett anzusetzen. Trotzdem sah er noch recht gut aus und war tadellos gekleidet.
»Bitte nehmen Sie Platz, Mister Cotton«, sagte er leichthin. »Darf ich Ihnen einen Brandy anbieten?«
»Sie dürfen.«
Er goss ein, hielt mir eine Packung Luckies hin und gab mir Feuer.
»Gestatten Sie mir, dass ich etwas weiter aushole.« Er räusperte sich. »Seit einigen Jahren habe ich ein Unternehmen, das sich damit beschäftigt, die Vergnügungsindustrie des Stadtteils Greenwich Village gegen entsprechende Bezahlung vor Überfällen, Erpressungen und Racheakten von Gangsterbanden zu schützen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist.«
»Zu meinem Leidwesen muss ich gestehen, dass ich davon nichts weiß.«
»Meine Geschäfte sind streng legal. Meine Kunden zahlen mir wöchentlich oder monatlich einen angemessenen Betrag, und ich bewahre sie vor Unannehmlichkeiten… das heißt, ich bewahrte sie bis vor Kurzem. - Neuerdings hat sich hier nämlich eine Gangsterbande breitgemacht, die mit allen Mitteln betreibt, dass meine Kunden den-Vertrag mit mir fristlos kündigen. Sie scheuen dabei auch vor Gewalttaten oder Mord nicht zurück. Diese Bande ist es auch, die vor wenigen Tagen anlässlich eines Terrorüberfalls auf die Akropolis Bar einen Ihrer Kollegen ermordete.«
»Und Sie, Mister Leget sind imstande, mir den Namen des Mörders zu nennen?«
»Ich kann das, Mister Cotton, und ich werde es tun. Es ist nicht nur mein eigenes Interesse, sondern auch meine Pflicht als Bürger der Stadt New York.«
»Schießen Sie los.«
Well, ich hatte Barney Leget gemeint, aber andere schienen die Aufforderung auf sich bezogen zu haben. Denn vor der Tür entstand plötzlich eine gewaltige Knallerei. Ein paar Kugeln schlugen durchs Holz und pfiffen uns um die Ohren.
Leget und ich, wir rissen unsere Pistolen aus den Schulterhalftern, sprangen rechts und links neben der Tür in Deckung.
***
Draußen knallte es inzwischen weiter. Es klang fast wie ein Feuerwerk auf dem Rummelplatz, nur dass es keine Raketen, sondern Pistolenkugeln waren, die durch die Gegend schwirrten.
Für ein paar Sekunden herrschte Stille, und dann schrie einer:
»Kommt raus, ihr Halunken!«
Als Antwort jagte Leget einen Schuss durch die Tür.
Wieder trat Stille ein. Ich blinzelte zum Fenster und erwartete jeden Augenblick, dass eine Handgranate hereingeflogen kam. Plötzlich flog die Tür auf. Zu meinem Glück gab mir der Türflügel Deckung.
Eine Serie von Schüssen hackte herein. Dann schlug etwas schwer gegen das Holz der Tür.
»So, der wäre erledigt. Und jetzt zu dir, du lumpiger G-man. Komm raus, oder wir machen ein Sieb aus dir.«
Der Kerl musste unmittelbar hinter der Tür stehen. Ich gab ihr einen gewaltigen Stoß.
Flüche, Poltern und eine Kugel, die über mich hinweg in die Wand schlug.
»Deckung, Jerry«, brüllte eine raue Stimme, und noch während ich mich hinwarf, ratterte die Garbe einer Maschinenpistole los. Aber sie verstummte sehr schnell wieder.
»Du kannst rauskommen, Jerry«, grölte Neville. »Der Tanz ist vorbei. Antreten zur Ordensverleihung.«
Als ich vorsichtig die Nase herausstreckte, war Neville damit beschäftigt, seine MP in ein Futteral zu packen, das man seit Al Capones Zeiten als Geigenkasten bezeichnete.
Auf dem Boden lagen vier Tote. Leget hatte einen Kopf- und einen Brustschuss bekommen, einer seiner Bodyguards war von drei Kugeln durchsiebt worden, und auch die beiden anderen Männer waren tot.
Fo San Tu weilte noch unter den Lebenden. Wie ein Steh-auf-Männchen schoss er hinter der Theke hervor, streckte die Arme gen Himmel und fluchte auf Englisch und Chinesisch durcheinander.
Neville packte den Chinesen am Kragen.
»Halt
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