0300 - Die Messermörder von Manhattan
mich angerufen«, sagte ich.
»Soso, der gute, alte Barney lebt immer noch. Was wollte er von dir?«
»Es handelt sich um etwas sehr Ernstes. Leget hat angedeutet, er könne mir Mitteilungen über die Person des Mörders von Freeman machen. Er will mich um zehn Uhr dreißig in Fo San Tu’s Räuberhöhle treffen.«
»Schon faul«, meinte Neville kopfschüttelnd. »Die Gold Street liegt in der übelsten Gegend der ohnehin schon üblen East Side, und Fo San Tu’s Bar ist wie geschaffen dazu, jemanden spurlos verschwinden zu lassen. Der alte Gauner Fo würde jederzeit den Mund halten, wenn er genügend dabei verdient. Ich kenne den Saftladen. Er hat einen Schankraum, drei Hinterstübchen mit besonders individueller Bedienung, zwei Ausgänge zum Hof und einen Kellerdurchbruch zur Cliff Street. Was es dort außerdem noch für Geheimnisse gibt, weiß ich nicht. Wahrscheinlich gibt es auch irgendwo einen eisernen Deckel, den man nur hochzuheben braucht, um unerwünschte Besucher in die Kanalisation zu werfen. Ich würde lieber den Satan in der Hölle besuchen, als einen Gangster bei Fo San Tu.«
»Ich muss hin, und ich habe versprochen, allein zu kommen.«
»Schon faul«, brummte Neville zum zweiten Mal. »Ich würde hingehen, aber nur mit mindestens zwanzig unserer Leute. Ich würde den Laden auseinandernehmen und sehen, was ich dort finde.«
»Das ist nicht Zweck der Übung. Leget scheint es ernst zu meinen. Außerdem liegt nichts gegen ihn vor. Er hat also keinen Grund, sich mit uns anzulegen.«
»Und was soll ich dabei tun?«
»Ich wollte irgendjemanden unterrichten. Ich wollte Sie bitten, hier zubleiben und auf meinen Anruf zu warten. Wenn ich mich innerhalb einer halben Stunde, also bis elf Uhr, nicht gemeldet habe, so können Sie das tun, was Sie vorhin vorschlugen. Sie können Fo San Tu’s Laden ausnehmen und durchsuchen, so lange, bis Sie mich oder meine Leiche gefunden haben.«
»Jerry, glaubst du, Fo würde nicht dafür sorgen, dass jede Spur deiner Anwesenheit gründlich beseitigt würde? Ich jedenfalls rate dir ab. Aber wenn du es durchaus nicht anders willst, so werden wir es anders machen. Nicht weit von Fo San Tu’s Höhle liegt Aunt Millys Bar in der Platt Street, keine fünf Minuten von dem Chinesen entfernt. Tante Milly ist meine Freundin aus der Zeit, als wir beide noch jung und knusprig waren. Sie wird mir eine Bitte nicht abschlagen. Ich werde also zu Tante Milly gehen, und ich werde sie veranlassen, eines ihrer ›Hausmädchen‹ zu Fo San Tu zu schicken. Dann haben wir dort einen Beobachtungsposten. Wenn es zu Schwierigkeiten kommt, oder wenn das Mädel merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist, so kann sie anrufen. Und ich komme dir dann zu Hilfe.«
Der Gedanke war nicht schlecht.
Ich wusste, dass Neville, wenn er einmal in Aktion trat, einer Kompanie Ledernacken gleichzusetzen war.
Ich war also einverstanden.
***
Um zehn Uhr fuhr ich los, stellte meinen Jaguar im Hof des Polizei-Hauptquartiers in der Center Street ab und nahm mir ein Taxi.
Der Fahrer rümpfte die Nase, als ich ihm die Adresse sagte.
Er stieg auch nicht aus dem Wagen, als wir anlangten, sondern streckte nur die Hand durchs Fenster, um das Fahrgeld in Empfang zu nehmen. Es war genau zehn Uhr dreißig, als ich die Bar betrat.
Zuerst musste ich mich an die Beleuchtung gewöhnen.
Überall hingen chinesische Lampions, die ein gedämpftes, rotes Licht verbreiteten.
Die Einrichtung war pseudo-chinesisch. An der Wand gab es einige verschwiegene Boxen, in denen ein Teil von Fo’s »Gesellschaftsdamen« mit Kavalieren saßen. Der Rest der Girls hockte in der Nähe der Theke an einem Tisch und im Augenblick, in dem ich eintrat, bombardierten sie mich mit Blicken.
Das Interessanteste war Fo San Tu selbst. Er hatte einen Glatzkopf, einen weißen Schnurrbart und einen Ziegenbart. Er war hager, hatte lange knochige Hände und einen Spitzbauch. Er trug eine schwarze Hose und eine weiße Jacke.
Ich trat an die Bar und sagte leise:
»Barney erwartet mich.«
Mister Fo machte eine Verneigung und führte mich durchs Lokal.
Vor einer Tür in der Ecke blieb er stehen, verneigte sich nochmals und machte eine einladende Handbewegung. Dann drehte er sich um und ging wieder zurück zu seinem Platz.
In diesem Augenblick standen zwei Gäste auf, die dicht neben dieser Tür gesessen hatten. Es waren Gestalten, die mich veranlassten, die Hand an den Pistolenkolben zu legen.
»Sie sind Cotton?«, fragte der eine.
»Was geht Sie das
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