0301 - Druiden-Rache
nickte, als wollte sie sich dadurch selbst Mut machen.
Auch die Dogge, die sich nicht im Raum befand, sondern im Flur wartete, merkte, daß etwas nicht stimmte. Wir hörten ihr Knurren, das in ein abgehacktes Bellen überging, bevor wir ein Winseln vernahmen.
Tiere haben ein besonderes Verhältnis zur Umwelt. Sie sind sensitiver und spüren mehr als wir Menschen. Auf sie konnte man sich verlassen. Daß die Kerzenflamme verlöscht war, ließ ich als Beweis für die Anwesenheit eines Toten nicht gelten. Das hätte auch durch einen Windzug geschehen können.
Ohne daß sie jemand angestoßen hatte, öffnete sich die Tür. Sie knarrte in den Angeln. In der herrschenden Stille wirkte das Geräusch doppelt laut, und wir warteten mit angehaltenem Atem.
Jetzt glaubte ich auch daran, daß sich etwas zwischen uns befand, daß man so leicht nicht erklären konnte, und wir warteten mit angehaltenem Atem.
Die Tür kam zur Ruhe.
Sie stand halb offen, und Mrs. Gall drehte sich langsam um, so daß sie in die Diele schauen konnte.
»Peter?« flüsterte sie.
Eine Antwort bekam sie nicht.
Mrs. Gall rang die Hände. »Peter, bitte, so melde dich doch! Ich weiß, daß du nicht mehr am Leben bist, aber dein Geist ist vorhanden. Bitte, Peter!«
Wieder streifte etwas durch mein Gesicht. Auch Suko zuckte zusammen. Er trat sogar einen kleinen Schritt zurück.
Ich wollte es wissen. Wenn der Totengeist des Peter Gall schon vorhanden war, sollte er sich wenigstens zeigen, deshalb wollte ich einen Test durchführen.
Ich griff unter mein Hemd und holte das Kreuz hervor. Vielleicht reagierte er darauf. Erst einmal war ich überrascht. Das Kreuz strahlte etwas ab.
Es war eine Mischung aus grünem und silberfarbenem Licht. Ein Zeichen für mich, daß ich den Druidenzauber in der Nähe spürte.
Automatisch dachte ich an Aibon…
»Peter Gall!« rief ich laut und deutlich. »Wenn es dein Geist ist, der keine Ruhe finden kann, dann zeige dich uns. Komm her zu mir!«
»Nein, nein!« sagte die Frau. Sie wollte auf mich zu, hatte ihre Arme bereits ausgestreckt, doch Suko reagierte gut, er hielt sie mit sanfter Gewalt fest.
Ich wartete auf den Geist!
Und er kam.
Dem Kreuz konnte er nicht widerstehen. Es reagierte ähnlich wie ein Magnet.
Die Reaktionen des Kreuzes sagten mir, daß er sich direkt in meiner Nähe befand. Dieser seltsame Hauch strich auch über meine Hand, und in ihr hielt ich das Kreuz.
Berührung!
Wir alle hörten die fauchenden Laute, die dicht vor dem Kreuz entstanden, und im nächsten Augenblick griff die Magie des Kreuzes voll durch.
Sie bannte den Totengeist.
Vor unseren Augen entstand er.
Eine durchscheinende Gestalt, zu vergleichen mit einer Ektoplasmawolke, und aus dem Mund der Frau drang ein verzweifelter Schrei, während die Dogge wie verrückt bellte.
»Peter! Es ist Peter!«
***
Sie hatten die letzten Stunden der Nacht und auch den Tag abgewartet. Geschehen war nichts. Es existierte nur eine Tatsache, und die ließ sich leider nicht ändern.
Sie kamen nicht weg.
Unbekannte Kräfte hatten für dieses Gefängnis gesorgt, und die unsichtbare Barriere befand sich nicht nur an einer Seite, sondern an vier, so daß sie ein Karree bildete. Dazwischen lagen die Täler und Hügel, lag struppiger Wald, wirkten große Steine wie hingeschleudert und bedeckte graugelbes Gras die langgezogenen Hänge.
In einem Anfall von Gutmütigkeit war Essex zum Wrack des Hubschraubers gegangen und hatte in den Trümmern so lange herumgesucht, bis er den kleinen Kasten der Bordapotheke fand. Es war seltsamerweise nicht zerstört worden. Ein wirklicher Zufall.
Auch seinen Inhalt konnte man noch als brauchbar bezeichnen, so daß die drei Männer darangingen, ihren vierten Partner zu verarzten.
Notdürftig reinigten sie sein Gesicht, und der Schwarze mußte die Zähne zusammenbeißen, um vor Schmerz nicht aufzuschreien.
Schließlich legten sie ihm mit Pflaster und Mull einen Verband an, nachdem sie auf die Wunden eine heilende Salbe geschmiert hatten.
»Jetzt stöhn auch nicht mehr rum!« sagte Sam.
Er und seine Kumpane hockten im Schatten eines Felsens. Geschlafen hatten sie nicht. Sie saßen nur da, starrten nach vorn, warteten auf den Tag und hingen ihren Gedanken nach.
Einen Grund zur Panik gab es für sie nicht. Ähnliche Situationen waren sie gewohnt. Man hatte sie schon oft genug eingekesselt und auch beschossen.
Dies war hier nicht der Fall.
Man ließ sie in Ruhe.
Gleichzeitig war es das auch, was sie aufregte.
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