0303 - Die Satans-Zwerge von Sylt
wir es aus der Höhe poltern hörten, drehten wir die Köpfe.
Jäh sprang uns das Entsetzen an. Unsere Gesichter wurden blaß.
Ein eiskalter Fluss strömte durch meine Adern, denn nun sahen wir, weshalb Inspektor Meissner nicht geantwortet hatte.
Er konnte es nicht.
Jemand hatte ihn erhängt!
Der Polizeibeamte hing an einer glühenden Schnur, deren Ende irgendwo zwischen den Balken verschwand. Natürlich war klar, daß sich einer dieser teuflischen Gnome dafür verantwortlich zeigte, und der Inspektor baumelte wie eine Puppe in der Schlinge.
Völlig regungslos…
Dr. Mommsen hatten wir retten können. Bei diesem Mann würden wir zu spät kommen, das stand fest.
Ich schüttelte den Kopf, war vor Grauen sprachlos und atmete scharf durch den geöffneten Mund. Das durfte doch nicht wahr sein. Wir hatten uns im Haus befunden, und dennoch war es unserem Gegner gelungen, den Mann praktisch vor unseren Augen zu ermorden.
Beide waren wir aschgrau im Gesicht geworden, und beide hörten wir auch das hämische Kichern.
Es klang aus dem Gebälk, in dem sich der Zwerg gut hatte verstecken können.
Deshalb sahen wir ihn auch nicht.
»Da kommen wir nicht ran!« hauchte Suko. Mein Partner stand auf dem Fleck, er hatte die Hände geballt, die Mundwinkel zuckten.
Selten hatte ich ihn in so einer aufgewühlten Stimmung erlebt.
Dieser Mord war praktisch vor unseren Augen geschehen, aber die Schrecken waren noch nicht beendet. Wir bekamen zu sehen, was mit den Toten geschah, die in die Klauen der Zwerge gerieten.
Da die Lampe eingeschaltet war und in einem sehr günstigen Abstand zu dem Toten hing, strahlte ihn das Licht auch an. Sein Gesicht wurde deutlich aus dem Schein hervorgerissen, und darin begann es plötzlich zu zucken.
War der Inspektor etwa nicht tot?
Für einen Moment durchflutete mich die Hoffnung. Ich wollte etwas sagen, aber das Wort brachte ich nicht mehr über die Lippen, denn zu schlimm war das, das wir zu sehen bekamen.
Der Mann veränderte sich.
Er löste sich auf…
Haut und Haare nahmen einen anderen Farbton an. Sie wurden für einen Augenblick dunkler, bevor sie sich verwandelten und in reinen Sand übergingen.
Aus den Haaren rieselte es. Der Sand strich über das Gesicht des Toten, als wäre er eine Säure, die alles auflöst, was sich ihr in den Weg stellt.
In Schleiern fiel der Sand dem Boden entgegen, und nicht allein das Gesicht wurde in Mitleidenschaft gezogen, auch die übrigen Körperteile verschonte dieser Prozeß nicht.
Da rieselte es aus den Armlöchern des Mantels hervor, der Hut trudelte zu Boden und auch aus den Hosenbeinen löste sich der Sand in einem wehenden Schleier.
Wir standen da und starrten.
Mein Herz klopfte überlaut. Ich atmete durch den offenen Mund.
Wie gern hätte ich den Vorgang gestoppt, doch es war nicht möglich. Wir befanden uns einfach zu weit weg.
Und der Sand fiel.
Lautlos, unheimlich.
Erst als er den Boden berührte, hörten wir das leise Prasseln, und wir beide senkten unsere Köpfe, um dorthin schauen zu können, wo der Sand aufkam.
Da sahen wir schon die Reste.
Es war furchtbar.
Das kleine Häufchen am Boden wurde immer höher. Ständig rieselte Sand hinzu, und es schien überhaupt nicht aufzuhören. Wir sahen auch keine Knochen, alles löste sich auf.
Wurde zu Sand…
Etwa fünfzehn Sekunden dauerte der Vorgang. Zuletzt lösten sich die Kleidungsstücke, blähten sich während des Falls noch einmal auf und blieben am Boden liegen.
Aus, vorbei…
Nur das Lasso leuchtete noch wie ein Fanal des Todes, und wir hörten das häßliche Lachen des teuflischen Gnoms, bevor er das Lasso zurückzog.
Jetzt war nichts mehr zu sehen.
Suko schüttelte den Kopf. »Mein Gott!« hauchte er und bekam einen Schauer, der sich deutlich auf seinem Gesicht abzeichnete.
Ich holte tief Atem, wollte sprechen, meine Kehle war in diesen Augenblicken wie zugeschnürt.
Suko fing sich als erster. Er stieß mich leicht an. Ich zuckte zusammen. Dabei kam ich mir vor wie jemand, der aus einer tiefen Trance erwachte. »Wir müssen diesen Zwerg packen!« zischte er.
Ich schaute ihn an.
»John!«
Jetzt erst konnte ich reagieren und schüttelte die Lähmung ab.
»Du hast recht!« hauchte ich. »Du hast so verdammt recht.« Tief atmete ich ein und lief die Treppe hinab.
Suko folgte mir langsamer.
Neben dem, was einmal ein Mensch gewesen war, blieb ich stehen.
Sehr genau schaute ich hin.
Sand, nur dieser verdammte Sand!
Aber kein normaler Sand, sondern die Reste
Weitere Kostenlose Bücher