0303 - Die Satans-Zwerge von Sylt
»Was wir auch schon früher gemacht haben. Wenn das Feuer brennt, rösten wir Kartoffeln. Was glaubst du, wie die schmecken. Und damit wir das Essen auch hinunterspülen können, bringen alle etwas Flüssiges mit.«
»Du auch?«
»Klar«, erwiderte Jan im Brustton der Überzeugung und griff in die rechte tiefe Tasche seiner gelben Windjacke. Er zog eine Flasche vor, hielt sie seiner Mutter hin und sah ihr erschrecktes Gesicht. »Ist was, Mom?«
»Du hast ja Korn.«
»Klar. Wasser wärmt nicht.«
Frau Behnfeld schluckte. »Junge, du weißt, was ich vom Alkohol halte. Und dein Vater ebenfalls. Erstens bist du erst sechzehn und für Schnaps noch viel zu jung. Zweitens kann man sich an das Zeug gewöhnen. Nein, Jan, es tut mir leid. Du gehst nicht mit der Flasche.«
»Aber Mom…«
Frau Behnfeld blieb hart. Bevor Jan sich versah, hatte sie ihm die Flasche schon entwunden. »Es reicht, daß ihr euch die Nacht um die Ohren schlagt. Da braucht nicht auch noch Alkohol im Spiel zu sein. So sehe ich es.«
»Einmal…«
»Ich bleibe hart. Mein Junge bringt keinen Alkohol mit.«
»Aber die anderen…«
»Was die machen, ist mir egal. Für die bin ich nicht verantwortlich, aber für dich.«
Jan senkte den Kopf. Er war sauer und wütend, starrte zu Boden und hob schließlich die Schultern, bevor er wortlos an seiner Mutter vorbei auf die Tür zuging.
»Sagst du mir nicht Tschüß?«
»Ja. Tschüß.«
Hart schlug Jan die Tür ins Schloß, und Frau Behnfeld schüttelte den Kopf. »Alkohol«, murmelte sie, als sie in die Küche ging. »Als hätte dieses Zeug nicht schon genug Unheil angerichtet. Das und die Drogen. So etwas hat mir noch gefehlt.«
Jan hörte die Worte seiner Mutter nicht mehr. Er befand sich im Treppenhaus und schlug wütend gegen das Geländer. Die anderen würden ihn auslachen, wenn er als einziger ohne Stoff ankam.
Susanne Richter sorgte für die Kartoffeln, die Getränke waren Männersache.
Kaufen wollte er auch keine Flasche. Im Moment sah es ziemlich mies in seiner Kasse aus. Das meiste Geld war für Weihnachtsgeschenke draufgegangen. Zornig riß er die Haustür auf.
Es war wieder kälter geworden. Der Wind wehte aus Westen und stach in sein Gesicht. Jan mußte um das Haus herum, denn im Hof stand sein Moped.
Im Hof traf er eine Nachbarin, die ebenfalls Bescheid wußte.
»Na, Jan, geht es jetzt los?«
»Ja, Frau Christensen.«
»Dann wünsche ich euch mal viel Spaß, nicht.«
»Danke.« Jan bückte sich und öffnete das kleine Kettenschloss, mit dem er sein Moped gesichert hatte.
Er wurde noch wütender, weil der Motor nicht sofort ansprang.
Schließlich knatterte die Maschine und Jan konnte sich in den Sattel schwingen.
An der Straße mußte er stoppen, weil einige Wagen die Ausfahrt passierten.
Für ihn wurde es jetzt Zeit, denn allmählich löste die Dämmerung den sowieso nicht hellen Tag ab. Ohne Licht konnte er nicht fahren, und Jan wandte sich in Richtung Süden.
Über die breite Süderstraße fuhr er, die an ihrem Ende einen rechten Bogen schlug und auf den Radweg mündete, der die Insel durchschnitt.
Den nahm Jan aber nicht. Er überquerte ihn nur, erreichte einen schmalen Weg, der das Südwäldchen teilte, und rollte anschließend schon dem Strand und damit dem Treffpunkt entgegen.
Sie hatten ausgemacht, sich an der Bude des Strandkorbwächters zu treffen. Jan Behnfeld schaute nach vorn. Er sah dem hüpfenden Lichtstrahl nach, passierte ein öffentliches WC und hörte durch das Geräusch des Motors das Rauschen der Wellen.
Hier pfiff der Wind stärker als im Ort. Jan trug keine Mütze und spürte die Kälte an den Ohren.
Plötzlich sah er die winkende Gestalt. Sie erschien im Restlicht des Scheinwerfers. An der hellroten Windjacke erkannte Jan die Fast-Freundin Susanne.
Der Junge verringerte das Tempo und hielt schließlich neben dem Mädchen, das ihn mit einem »Da bist du ja endlich« begrüßte.
»Tut mir leid, es ging nicht schneller.« Jan stieg aus dem Sattel, kickte den Ständer nach unten, stellte das Moped hin und schaute sich zunächst einmal um.
Noch war es nicht ganz dunkel.
Über der See lag ein seltsamer Glanz. Ein unnatürliches Licht. Die Sonne hatte sich bereits hinter dem Horizont versteckt, doch der Widerschein ihres letzten Lichts stach noch in die grauen Wolkenberge hinein, durchleuchtete sie und hellte ihre Farbe auf. Licht und Schatten wechselten sich an den verschiedensten Stellen ab wie Inseln in einem unheimlichen Meer.
Die See rauschte
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