0304 - Maskenball der Monster
Manchmal erinnerten mich die Büsche an zwergenhafte Wesen aus anderen Schattenreichen, die, wenn der Wind über das flache Land strich, zu einem geisterhaften Tanz animiert wurden.
Ich hatte damit gerechnet, weiter und tiefer in das unheimlich wirkende Gebiet hineinzustoßen, wurde in diesem Fall aber angenehm enttäuscht, denn die Beschaffenheit des Weges änderte sich schlagartig.
Plötzlich gerieten wir an eine Kreuzung.
»Wohin jetzt?« fragte der Psychologe, als ich gestoppt hatte.
»Wir müssen nach rechts!«
»Stimmt das auch?« fragte ich.
Erna Lengerich nickte. Im Schein der Armaturenbeleuchtung wirkte ihr Gesicht seltsam fahl.
Ich fuhr in diese Richtung.
Kaum waren wir ein paar Meter auf der Straße gerollt, als sich die Frau von allein meldete. »Die Straße führt genau zum Schloß«, erklärte sie. »Es ist nicht mehr weit.«
»Ein Schloß?«
»Nein, ein Haus. Vielleicht ein Schloß. Es ist auf jeden Fall ein sehr großes Haus.«
»Wem gehört es?« wollte der Psychologe wissen.
»Dem Baron.«
»Hat er auch einen Namen?«
»Ja, ich weiß ihn wieder. Je näher ich an das Ziel komme, umso besser kann ich mich erinnern. Es ist der Baron von Tirano. Ein guter, ein außergewöhnlicher Mann. Er macht alles, was wir wollen. Er ist wunderbar. Er erwartet mich.« Erna Lengerichs Gesicht nahm jetzt einen anderen Ausdruck an. Über die Wangen schien ein Leuchten zu laufen, die Augen strahlten, man merkte bei ihr die große Erwartung, die sie in das Ziel gesetzt hatte.
Baron von Tirano!
Zum erstenmal hatten wir einen Namen vernommen. Ich dachte über ihn nach, konnte jedoch zu keinem Ergebnis kommen. Mir sagte der Name einfach nichts.
Deshalb wandte ich mich an Dr. Heiermann. »Können Sie etwas damit anfangen?«
»Nein.«
»Es ist auf jeden Fall ein Adeliger«, fuhr ich fort.
»Das war der Graf Dracula auch«, meldete sich Suko.
Ich lächelte. Bestimmt hatte mein Freund den Namen des Blutgrafen nicht ohne Hintergedanken erwähnt. Sah er bereits Verbindungen zwischen den beiden?
»Kennst du ihn, Suko?«
»Nein.«
»Wieso dann die Verbindung zu dem Vampir aller Vampire?«
»Ich bin bei Adeligen eben ein wenig allergisch«, erklärte mir mein Partner.
Da schien er nicht einmal Unrecht zu haben. Ich war gespannt, was uns wirklich erwartete.
Wir fuhren durch eine verlassen wirkende Gegend. Manchmal wuchs der Wald bis dicht an die schmale Straße heran, dann trat er wieder zurück, so daß die Sicht freier wurde.
Durch einige Kurven führte der Weg, bis wir einen großen Schatten in der Finsternis sahen.
Ein Haus.
Unser Ziel?
»Da ist es«, sagte Erna Lengerich. »Ja, da ist es.« Sie lachte plötzlich.
»Endlich.« Dabei rieb sie sich die Hände, und sie freute sich wie ein kleines Kind.
Ich fand zwischen den Bäumen am Wegrand eine Lücke. Gerade so groß, daß der Wagen hineinpaßte. Dazu brauchte ich ihn nicht einmal zu rangieren.
Unter den vier Reifen zerknackten kleinere Zweige und raschelten auch faulige Blätter.
Dr. Heiermann wunderte sich darüber, daß ich angehalten hatte, denn er fragte: »Wollen Sie nicht bis an das Haus fahren, Herr Sinclair?«
»Auf keinen Fall.«
»Wieso? Ich…«
Suko stand mir bei. »Es wäre zu riskant. Niemand soll wissen, daß wir jetzt schon da sind.«
»Aber wir müssen doch…«
»Nein«, sagte ich. »Wir müssen nichts. Im Augenblick ist Frau Lengerich die Hauptperson.«
»Wollen Sie sie denn allein…?«
»Ja.«
»Das kann ich nicht verantworten!« regte sich der Mann auf. »Ich möchte zumindest an ihrer Seite bleiben.«
»Keinen will ich haben«, sagte die Frau. »Überhaupt keinen. Ich will alles allein machen. Man erwartet mich da. Ich will zu dem Baron von Tirano, merken Sie sich das. Sie sind nicht eingeladen.«
Kaum hatte sie die Sätze gesprochen, als sie schon die Tür aufstieß und aus dem Wagen kletterte.
Suko hatte hinter ihr gesessen. Er wollte sie nicht weglaufen lassen und war ebenfalls rasch aus dem BMW. Suko streckte einen Arm aus, bekam sie an der Schulter zu fassen und zog sie herum.
»Bleiben Sie hier!« befahl er.
»Nein, ich…«
Suko umklammerte ihr rechtes Handgelenk. »Sie bleiben! Haben Sie mich verstanden?«
»Ich!«
Auch Dr. Heiermann war ausgestiegen. Er griff nun ein. Scharf schaute er die Frau an. »Sie werden bleiben, Erna! Haben Sie gehört?«
Frau Lengerich erwiderte den Blick, bevor sie nickte. »Ja, ich werde bleiben.«
»So ist es besser!«
Noch standen wir gut gedeckt. Vom Haus aus
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