0308 - Einbahnstraße in den Tod
Portal.
»Wollen sich die Herren bitte einen Augenblick gedulden«, bat der Diener, der uns öffnete. »Mrs. Wolters bekam vor einer halben Stunde Besuch. Ich weiß nicht, ob dieser schon gegangen ist.«
Dann klopfte der Diener an eine Tür zur Linken, wartete, und klopfte noch mal. Er schüttelte den Kopf, kam zurück und sagte: »Es sieht so aus, als ob Mrs. Wolters hinauf gegangen ist, um sich etwas auszuruhen. Können Sie vielleicht noch einmal wiederkommen?«
»Nein«, antwortete ich. »Das können wir nicht. Die Angelegenheit ist eilig. Mrs. Wolters wurde darüber informiert, dass wir sie aufsuchen würden.«
Der Diener schüttelte missbilligend den Kopf, ging aber trotzdem die Treppe hinauf. Zwei Minuten später kam er zurück. »Ich begreife nicht, wo Mrs. Wolters geblieben ist«, meinte er. »Sie kann das Haus nicht verlassen haben. Ihr Pelzmantel hängt an der Garderobe, und Nelly, ihre Zofe, hat sie nicht gesehen.«
»Vielleicht ist sie noch hier im Zimmer. Vielleicht ist sie eingeschlafen«, mutmaßte mein Freund. »Sie sagten doch, Mrs. Wolters habe vor einer halben Stunde Besuch gehabt.«
»Ich habe auch Mister und Mrs. Hauser, die vorhin kamen, nicht Weggehen sehen. Im Allgemeinen klingelt Mrs. Wolters, wenn Gäste sich verabschieden, damit ich ihnen bei der Garderobe behilflich sein und sie hinauslassen kann. Ich begreife das nicht.«
Irgendetwas kroch mir kalt über das Rückgrat. Mit zwei Schritten war ich an der Zimmertür und riss sie auf.
Dann sah ich, warum Mrs. Wolters sich nicht meldete. Sie würde sich nie mehr melden können. Sie war tot.
Um ihren Hals schlang sich ein weißer Seidenschal. Er war fest verknotet.
Mord.
Mrs. Wolters, die Frau, die uns vielleicht den Weg zu den Geldräubern hätte weisen können, war erdrosselt worden.
Dann sah ich ihre Handtasche.
Sie lag auf dem Tisch, war geöffnet worden. Der Inhalt lag teils auf dem Tisch, teils auf dem Boden verstreut.
Ein Portefeuille aus hellgrauem Wildleder war ebenfalls geöffnet. Das Geld war herausgenommen worden und lag wie achtlos verstreut auf dem Boden.
Ich sah vier Hundert-Dollar-Scheine, zwei von je fünfzig Dollar und eine Anzahl Zehner und Zwanziger.
Hinter mir erklang ein Schreckensruf.
Der Diener stand mit weißem Gesicht und großen, entsetzten Augen da. Er zitterte am ganzen Körper.
»Was… was…«, stammelte er.
Phil fasste ihn am Arm und führte ihn hinaus. Ich verzichtete darauf, das Telefon zu benutzen. Unter Umständen befanden sich Fingerabdrücke darauf.
Ich folgte also meinem Freund in die Diele. Phil hatte den Diener in einen Sessel bugsiert und versuchte, ihn zum Sprechen zu bringen.
»Sie sagten vorhin, Mrs. Wolters habe Besuch gehabt. Nannten Sie nicht den Namen Hauser?«
Der Mann presste die Handflächen gegen die Schläfen, stöhnte und riss sich dann gewaltsam zusammen.
»Ja, es waren Roger und Ellen Hauser, Bekannte von Mrs. Wolters, soviel ich weiß. Ich glaube, sie hatten sich in irgendeinem Club kennengelernt. Das Ehepaar Hauser war in den letzten vierzehn Tagen zwei- oder dreimal hier. So viel mir bekannt ist, stammen sie irgendwo aus dem Süden und sind zu Besuch in New York. Ich entnahm das aus Gesprächen. Vor allem die beiden Damen schienen sich gut zu verstehen.«
»Wissen Sie, wo dieses Ehepaar Hauser wohnt?«
»Nein.«
»Können Sie uns die beiden beschreiben?«
»Aber Sie glauben doch nicht etwa…?«, stammelte der Diener.
»Jedenfalls ist dieses Ehepaar nicht unverdächtig. Die beiden waren eine halbe Stunde vor unserer Ankunft hier und sind wahrscheinlich die Letzten, die Mrs. Wolters lebend gesehen haben. Wie kann der Mörder eingedrungen sein?«
»Die Fenster sind jetzt im Winter geschlossen, und es werden nur Lüftungsklappen geöffnet. Der Lieferanteneingang ist stets von innen verriegelt. Man kann nur durch das Portal hereinkommen, und das ist nur möglich, wenn man klingelt und entweder Esther oder ich die Tür öffnen.«
»Aber wahrscheinlich konnte man das Haus verlassen, ohne gesehen zu werden«, meinte Phil.
»Das kann man, aber ich sagte ja schon, dass in diesem Fall Mrs. Wolters klingelt, damit ich ihre Besucher hinausgeleite.«
»Wenn sie tot war, konnte sie nicht mehr klingeln. Geben Sie uns jetzt eine Beschreibung der Leute.«
»Mrs. Hauser ist eine außerordentlich schöne Frau. Ich schätze sie auf fünfundzwanzig, sie kann aber ebenso gut dreißig Jahre alt sein. Sie hat auffallend rotbraunes Haare, einen frischen Teint, große, blaue
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