0309 - Wir und die rätselhaften Morde
Cain hatte sie betrunken gemacht und dafür gesorgt, dass Wills sie mit einem Mann, der ihr vollständig gleichgültig war, in einer kompromittierenden Situation erwischte. Zwei Monate danach hatte Cain die geschiedene Frau bereits geheiratet. Auch diese Ehe dauerte nicht lange. Cain soll so eifersüchtig gewesen sein, dass die Frau es nicht bei ihm aushielt.«
Louis machte eine Kunstpause, dann fuhr er fort.
»Sie fuhr nach Reno und war wieder frei. Es wird gesagt, dass Cain das niemals überwunden hat und dass er diese Frau heute noch abgöttisch liebt. Dasselbe wird von Wills erzählt.«
»Na und?«
»Jetzt kommt die Pointe. Weißt du, wer diese Frau ist, die zuerst mit Wills und dann mit Cain verheiratet war?«
»Woher sollte ich das wissen?«
»Diese Frau ist Nita Cabrini. Merkst du etwas?«
»Ich merke nur, dass Cain scheinbar versucht, seine ehemalige Frau zurückzugewinnen. Andernfalls hätte er sich ja nicht so sehr um ihre Karriere bemüht.«
»Und außerdem wäre das ein Motiv, um Kitty Ferry um die Ecke zu bringen, damit die Cabrini die begehrte Rolle doch noch bekommt.«
»Das ist etwas weit hergeholt, Louis«, meinte ich.
»Hast du eine Ahnung von diesen Leuten aus dem Showgeschäft. Die sind noch zu ganz anderen Dingen imstande.«
Während Lous, natürlich auf meine Rechnung, noch drei Drinks bestellte, ließ ich mir das Gesagte durch den Kopf gehen.
Eigentlich hatte er gar nicht so Unrecht.
Cain hatte jetzt ein handfestes Motiv.
Ich konnte mir vorstellen, dass der Mord an Lyons ein Schreckschuss gewesen war, um Kitty zum Verzicht auf die Rolle zu veranlassen.
Als das nicht half, sollte es ihr selbst an den Kragen gehen.
Das war eine Theorie, aber ich hatte keinerlei Beweise dafür.
Auf alle Fälle hatte ich jetzt einen Anhaltspunkt.
Cain war zum Hauptverdächtigen aufgerückt. Ich bat Louis, weiter nachzuforschen.
Denn über unbescholtene Zeitgenossen gibt es leider keine Akten beim FBI.
Er versprach, sein Bestes zu tun, und ich ging.
Er hätte sonst so lange auf meine Kosten weitergezecht, bis ich ihn auch noch hätte nach Hause bringen müssen.
Ich fuhr nach Greenwich Village in den VILLAGE-VANGUARD-Club in der 11. Straße, wo arrivierte Künstler und Artisten verkehrten.
Man hatte versucht, dem Club, der eigentlich keiner war, das Aussehen eines französischen Cafés zu geben.
An der einen Wand prangte ein nicht einmal schlecht gemaltes Panorama von Paris. Die Tische waren klein und rund und hatten Marmorplatten.
Die Stühle waren so unbequem, wie sie in französischen Estaminets gewöhnlich sind, und auf der Speisekarte stand alles auf Französisch, was zur Folge hatte, dass die meisten Gäste den Kellner um Rat fragen mussten.
Es gab Café au lait und petit noir.
Die Kellner und die Gäste waren Amerikaner.
Ich setzte mich an einen noch freien Tisch, der unter einer rot-weißgestreiften Marquise stand und bestellte mir, um im Stil zu bleiben, einen kleinen Schwarzen und einen Brandy.
Dann merkte ich, dass mein Zigarettenvorrat zu Ende war.
Ich winkte dem hochbeinigen, schwarzgelockten Mädel mit dem Bauchladen.
»Cigarettes, Monsieur?«, fragte sie. Ich merkte, dass sie Französin war.
Ich suchte meine Sprachkenntnisse zusammen, und es gelang mir, mich verständlich zu machen. Ich kaufte eine Packung und zahlte, nicht ohne ein anständiges Trinkgeld zu geben.
Schließlich wird man nicht alle Tage von einer hübschen Französin bedient.
»Merci«, flötete sie, drehte sich um und fing eine Unterhaltung mit einem der Kellner an.
Plötzlich sprach die Kleine fließendes Englisch, und zwar mit einem New Yorker East End Akzent.
Dann plötzlich bemerkte ich Nita Cabrini. Sie saß mir schräg gegenüber, zusammen mit Leuten, die ich nicht kannte. Sie schien sich köstlich zu amüsieren. Ihre Trauer war restlos weggewischt.
Die ganze Gesellschaft trank Champagner und lachte ausgelassen. Mr. Cain war nicht dabei. Als ich nach Mitternacht auf brach, hatten die Trauergäste einen Schwips.
***
Zwei Tage vergingen, und nichts rührte sich. Nicht einmal meine Befürchtung, der Mörder werde erneut zuschlagen, traf zu. In den Zeitungen konnte man lesen, dass die Proben für das neue Stück in HELLINGERS Theater weitergingen. Wills hoffte, dass die Premiere fristgerecht am 1. Dezember steigen könne.
Am dritten Tag, es war schon 6 Uhr 30 abends, und ich hätte eigentlich bereits dienstfrei gehabt, wurde ich am Telefon verlangt.
»Hallo, Mister Cotton.«
Ich glaubte die
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