031 - Die Mörderpuppen der Madame Wong
versteht.«
Su Hang schluckte, als Larry die etwa dreißig Zentimeter
große Puppe zur Hand nahm und sie von allen Seiten betrachtete. »Erst war es
nur eine Stoffpuppe, dann fanden Sie die Nadel im Herzen der Puppe. Hier
kündigte sich der Tod Ihres Freundes an, Larry. Und jetzt hat die Puppe die
Gestalt Ihres Freundes angenommen. Die nächste Station wäre dann, dass ein
unheilvoller Geist die Puppe zum Leben erweckt.«
»Unsinn!«
»Ich sage Ihnen nur, wie es sich die Alten in den Dörfern
erzählen, das ist alles.«
»Primitiver Aberglauben, Su. Sie werden doch an so etwas
nicht glauben?«
»Ich möchte nicht, Larry. Aber in den letzten Jahren ist
es in Hongkong und Umgebung, besonders aber in Kowloon und in Dörfern der New
Territories, zu Vorfällen dieser Art gekommen. Namhafte Wissenschaftler der
Kronkolonie versuchten, das Geheimnis zu lüften. Man hat nie wieder von ihnen
gehört. Jetzt kann ich es Ihnen verraten, Larry: Ich war mit einem dieser Männer,
die auf den Spuren der Puppen wandelten, eng befreundet. Sein Name war Lao
Kjun. Er arbeitete an einem neugegründeten Institut für parapsychologische
Grenzfälle. Das Auftauchen der ersten Puppen in der Nähe von Kowloon und in den
uralten Dörfern der New Territories rief ihn auf den Plan. Er hatte die alten
Schriften studiert und kannte einige Magier und Magierinnen in dieser Gegend.
Lao kehrte nicht zurück. Bis zur Stunde weiß ich nicht, was aus ihm geworden
ist. Wir haben uns am Vorabend seiner Abreise noch einmal getroffen, und er
machte sich über die unnötigen Sorgen, die ich mir angeblich machte, lustig.
Ihm könne nichts geschehen, denn er sei gegen jede Hexerei gewappnet. Er zeigte
mir ein Amulett, das er um den Hals trug: An einer Kordel aus Elefantenhaar
trug er ein schweres bronzenes Amulett mit einem altindischen Geheimzeichen. Es
war ein Symbol, das an zwei abwehrende Hände erinnerte.«
Sie wandte sich ab und drehte ihr Gesicht dem Fenster zu.
Doch Larry hatte ihre feuchtschimmernden Augen gesehen.
»Ich möchte nicht, dass Sie ein gleiches Schicksal
erleiden«, sagte sie. »Man soll geheime Mächte ruhen lassen.«
Larry presste die Lippen zu einem harten Strich zusammen.
Er ließ die Iwan-Puppe einfach auf die Couch fallen. »Vielleicht will mir
jemand auch nur einen Schrecken einjagen, Su«, meinte er leichthin.
»Einen Schrecken? Das vorhin – war das auch nur ein
Schrecken?« Sie spielte auf den Fremden an, den die geheimnisvolle Nadel
getötet hatte.
»Nein, das war mehr. Das war Mord«, entgegnete Larry Brent
rau und ging mit Su hinunter in sein Zimmer.
»Vielleicht ist alles nur Einbildung, Larry«, sagte sie,
noch ehe er seine Tür aufschloss. »Ich weiß selbst nicht mehr, was ich noch
glauben soll und was nicht. Wenn meine Vermutung aber stimmt, wenn es ein
geheimnisvolles Gesetz gibt, dann ...«
Sie standen auf der Türschwelle und starrten hinüber auf
das Bett, das direkt vor dem Fenster stand.
Eine Puppe saß mitten auf dem Federbett.
Das war zu viel.
Larry ging an das Telefon und bat den Geschäftsführer auf
sein Zimmer.
Dieser kam eilig herbei und konnte eine gewisse
Nervosität nicht verbergen, als Larry ihm die Puppe unter die Nase hielt, die
er auf seinem Bett gefunden hatte. Sie befand sich im ersten Stadium , wie Su Hang es bezeichnet hatte. Ihr Gesicht war
noch nicht ausgeprägt.
»Wie kommt das in mein Zimmer?« Larry Brent trieb den
Geschäftsführer förmlich durch den Raum. »Ich fürchte, Sie sind mir eine
Erklärung schuldig, Mister Yang. Als ich heute Morgen diesen Raum verließ, habe
ich hinter mir zugeschlossen. Es gibt doch keinen zweiten Schlüssel? Oder wird
vielleicht der, den ich an dem Schlüsselbrett zurücklasse ...«
Der Geschäftsführer hob abwehrend die Hände. »Aber ich
bitte Sie, Mister Brent! Doch nicht in diesem Hotel!« Larry ließ ihn gar nicht
zu Wort kommen. »In diesem Hotel passieren noch ganz andere Dinge, Mister
Yang!« Er erzählte von den Vorkommnissen in Iwan Kunaritschews Zimmer. Der
Geschäftsführer starrte ihn an wie einen Geist.
»Für mich steht fest, dass jemand in dem Augenblick, als
ich die Treppe hinunterstieg, Gelegenheit hatte, die Puppe im Zimmer meines
Freundes auszutauschen«, schloss X-RAY-3. »Aber wer sollte ...?«
»Das eben will ich von Ihnen wissen.«
»Sie sind kein Chinese, Sir, sonst würden Sie die Puppen
anders beurteilen.« Die Angst in der Stimme des Geschäftsführers war nicht zu
überhören. »Aber dass so etwas ausgerechnet
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