0311 - Am Todestag von Isabell
mich nicht mehr erinnern. Ich habe nicht darauf geachtet.«
Ich hatte etwas ganz anderes erwartet, und darum fragte ich nochmals.
»Irren Sie sich nicht, was das Alter und die Figur betrifft, Mister Habacook?«
»Bestimmt nicht, Mister G-man. Was der alte Habacook gesehen hat, das weiß er.«
Da war nichts zu machen.
»Natürlich müssen wir das Stück der Firma Lambert vorlegen«, erklärte ich. »Dann wird sich heraussteilen, ob der Ring dort geraubt wurde. Am besten ist, wenn Sie ihn mir vorläufig einmal hierlassen. Rufen Sie heute Nachmittag gegen vier an. Dann werde ich ihnen Endgültiges sagen können.«
»Ja, Mister G-man, Gewiss, Mister G-man…, aber sagen Sie bitte Mister Lambert, ich sei ein armer Mann und könne einen Verlust von fünfhundert Dollar nicht verschmerzen. Vielleicht hat er Mitleid und erstattet sie mir zurück.«
Ich versprach auch das. Dieser Habacook war ein kleiner Pfandleiher; für den fünfhundert Dollar ein Haufen Geld waren.
Wenn Lambert den Ring für ein Fünftel des Wertes, den er angegeben hatte, zurückerhalten konnte, so war das immer noch günstig. Mister Habacook entfernte sich unter vielen Verbeugungen.
Um 4 Uhr nachmittags erschien Mister Lambert. Es war tatsächlich sein Ring. Zuerst hatte er gar keine Neigung, dem alten Habacook etwas zu vergüten, aber ich bearbeitete ihn solange, bis er seufzend sein Scheckbuch zog.
***
Das Merkwürdige an der Sache war, dass die Frau, die den Ring versetzt hatte, eine andere sein musste als die Komplizin der Räuber.
Habacook hatte sie als klein und sehr zierlich beschrieben und war, trotz Nachfragen, dabeigeblieben.
Die Frau, von der bisher im Zusammenhang mit den Raubüberfällen die Rede gewesen war, musste mittelgroß und von kräftiger, wenn auch schlanker Statur sein.
Ich konnte in Habacooks Aussage kein Zweifel setzen. Er hatte keinen Grund, mich anzulügen und verfügte bestimmt über eine gute Beobachtungsgabe.
Ich sprach mit Phil darüber, der die Achseln zuckte und meinte, der ganze Fall fange an, ihm zum Halse herauszuhängen.
Mir ging es ähnlich, aber wir hatten nun einmal die Geschichte am Bein und mussten sehen, wie wir damit fertig würden.
Unbegreiflich war uns die Tatsache, dass ein Teil des Raubes auf so merkwürdige Art ans Licht kam.
Das Armband war verpfändet worden, weil die Frau ihre Zeche nicht bezahlen konnte, und der Ring, weil eine andere Frau nötig Geld brauchte.
Von einer derartigen Räuberbande hätte man voraussetzen sollen, dass sie ihre Beute bei einem der großen Hehler verwerten oder, wenn es sich um Fachleute handelte, die Steine herausbrechen und das Gold einschmelzen würde. Keines von beiden schien bis jetzt geschehen zu sein.
Die Überraschungen nahmen kein Ende.
Am nächsten Morgen gegen zehn bat Lieutenant Crosswing dringend um unseren Besuch.
In seinem Office fanden wir ein junges Mädchen von ungefähr dreiundzwanzig Jahren, dem man ansah, dass es keine New Yorkerin sein konnte.
Sie war hübsch, aber ohne jedes Make up und sogar ohne die Spur einer Dauerwelle in ihrem braunen Haar. Ihre Kleidung war solide, aber betont einfach und ohne jeden Chic.
»Dies ist Miss Sue Tarring aus Sullivan«, stellte Lieutenant Crosswing vor. »Die junge Dame kam hierher, weil sie von dem plötzlichen Tod Motleys hörte. Sie gibt an, mit ihm verlobt zu sein.«
»Förmlich verlobt?«, fragte ich überrascht. »Sie wollten also heiraten?«
»Ja, ich weiß nicht, was daran so unglaublich sein soll«, antwortete sie unwillig. »Oliver und ich kennen uns seit unserer Kinderzeit, unsere Familien wohnen nebeneinander. Wir sind schön seit zwei Jahren verlobt und wollten Weihnachten dieses Jahres heiraten. Ich war gewöhnt, dass Oliver jede Woche zweimal telefonierte. Und als diese Anrufe zweimal ausblieben, wendete ich mich an seine Firma. Diese teilte mir mit, er sei ermordet worden. Ich setzte mich sofort in die Bahn und kam hierher.«
»Und Sie sagen, Mister Motley habe Sie bis vor ungefähr einer Woche regelmäßig angerufen?«, fragte ich.
»Natürlich. Er tat das schon, seit er hier in New York bei der Versicherung angestellt ist. Warum fragen Sie so merkwürdig?«
Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als Farbe zu bekennen. »Halten Sie es für möglich, dass Motley Sie insofern betrog, als er hier in New York eine zweite Verlobung einging?«
»Das ist vollkommen ausgeschlossen. Ich war mir selbstverständlich bewusst, dass er, wenn er solange abwesend war, gelegentlich einmal
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