0313 - Der Blutgraf erwacht
seltener war es, daß er Gedanken las, ohne die Erlaubnis einzuholen. Aber er wußte, daß die Mädchen diesen Schock nicht mehr verkraften würden. Sie waren sensibel und leicht zu verwirren, besonders nach diesen Erlebnissen. Und es war auch gefährlich, sie in die Ruine zu holen.
Deshalb hatte Gryf telepathisch ausgeforscht, was er wissen wollte, und Zamorra von seiner ursprünglichen Idee abgebracht.
Der Druide suchte die Stelle auf, an der der Blutgraf aus der Wand getreten war. Er aktivierte seine Sondersinne und versuchte, die Wand an dieser Stelle auszuloten. Er spürte eine schwache Kraft.
Er wunderte sich, daß ihn nichts behinderte, obgleich er sich doch direkt von einem der Eingänge zum unheiligen Reich des Untoten befinden mußte. Gryf zeichnete unsichtbare Muster mit dem Silberstab auf die Steine und aktivierte die Zeichen mit einem Zauberspruch.
Dann wandte er sich um und suchte die Stelle im Gesträuch, wo die umgekippte morsche Tür sein mußte, hinter der das Skelett zusammengerasselt sein sollte, das hinterher verschwunden war. Er fand den Zugang in ein düsteres Loch.
Der Silberstab leuchtete schwach.
Gryf versuchte Einzelheiten zu erkennen. Aber da war nichts als ein leerer, staubiger Raum und ein paar morsche Bretter, die einmal eine massive Tür gewesen waren. Gryf ging langsam in den Raum hinein, vorsichtig, um keinen Staub aufzuwirbeln.
Er sah Eisenketten und leere Hand- und Fußschellen. Hier konnte man einen Menschen anketten. Und wahrscheinlich war das auch vor langer Zeit geschehen. Dies mochte das ehemalige Verlies sein, in dem der Blutgraf sein unrühmliches Ende fand…
Gryf wußte, daß das eine wichtige Stelle war, wenn sein Verdacht stimmte. Auch hier brachte er Bannzeichen an, malte sie in den Staub und aktivierte sie. Dasselbe machte er mit der Türöffnung, brachte an den Steinen ringsum einen Kranz von Bannsiegeln an.
Damit war dem Blutgrafen der Durchgang verwehrt, und wenn er sich per Teleportation direkt in diesen Raum versetzte, würde er auch im Innern eine böse Überraschung erleben.
Das galt sowohl für den Weg hinein als auch umgekehrt. Wenn sich der Graf im Innern der Ruine befand, so war er eingesperrt.
Ruine… hier gab es gar nicht so viele Möglichkeiten, sich zu verbergen. Der Blutgraf mußte also noch eine andere Möglichkeit besitzen, sich und das gefangene Mädchen zu verstecken. Vermutlich in einer anderen Daseinsebene, in einer Zwischendimension. Aber Gryf hatte kein Tor spüren können.
Vielleicht gab es so ein Weltentor auch gar nicht. Der Blutgraf mochte davon unabhängig sein. Vielleicht erreichte er sein jeweiliges Ziel auf direktestem Wege.
Aber wie dem auch war – seine Bezugspunkte waren versiegelt.
Wenn er sie benutzte, egal in welcher Richtung, würde er eine böse Überraschung erleben.
Gryf trat in den Innenhof zurück.
Da vernahm er das schrille Heulen…
***
Die Ungeduld in den beiden wartenden Mädchen wuchs. Die Zeit tropfte zäh dahin, und nichts geschah. Niemand kam zurück, um eine Erfolgsmeldung zu überbringen. Die Feuerkugel, die davonzischte, hatten sie nicht sehen können, da diese flach über dem Gelände in der entgegengesetzten Richtung verschwand.
»Wenn wir nur wüßten, was da geschieht«, murmelte Lory bedrückt. Sie stieg aus und ging unruhig um den Wagen herum.
Sorrya lehnte sich zurück. »Ich würde gern wissen, was mit Gina ist«, sagte sie leise. »Was dieser Kerl… dieser Blutgraf … mit ihr angestellt hat. Wir hätten nicht davonlaufen sollen.«
»Was hätte es genützt? Er hätte uns wahrscheinlich alle drei erwischt«, gab Lory zu bedenken. »Erinnerst du dich nicht an diese seltsame Schwäche, die uns beide überkam? Ich bin sicher, das war irgend eine Art von Zauberei. Damit wollte er uns lähmen und an der Flucht hindern.«
»Hm«, machte Sorrya. Sie beugte sich vor und schaltete das Radio aus. Die leisen Melodien verstummten.
»Ich werde hier noch verrückt«, sagte sie. »Am liebsten würde ich hinterhergehen. Nachsehen, was da geschieht. Lory… ich habe Angst.«
Sie stieg ebenfalls aus und sah die Freundin an.
»Wir hätten erst gar nicht zu dieser verdammten Ruine gehen sollen. Die Leute wissen schon, warum sie sie meiden. Es war eine unsinnige Idee.«
»Das ändert jetzt aber nichts mehr«, sagte Lory dumpf. »Ich…«
»Was hast du?«
Aber Lory schwieg.
Ihre Augen weiteten sich in namenlosem Entsetzen. Sie starrte etwas an, das sich hinter Sorrya befand. Die Rote wirbelte
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