0313 - Die Mumien kommen
schauen.«
»Das weiß ich, mein Junge.« Mary öffnete eine Schranktür und holte frische Wäsche hervor. Der Bademantel mit dem Superman-Motiv folgte, und Mike zog sich an.
Er hüpfte dabei von einem Bein auf das andere, hatte den Kopf aber nur in die eine Richtung gestreckt und schaute auf den Wannenrand, wo die beiden Goldstücke lagen.
»Du hast sie gefunden?« fragte er, als er seinen Bademantel mit dem Gürtel »schloss«.
»Wie du siehst.«
Mike fing an zu lachen. »Das ist Gold, Mom, echtes Gold. Toll, nicht wahr?«
Mary Farlane nickte. »Ich weiß, dass es echtes Gold ist. Nur möchte ich gern wissen, wo du es gestohlen hast?« Bei dieser Frage schoss ihr das Blut ins Gesicht.
Der Junge wurde im Gegensatz dazu blass. »Gestohlen?« fragte er und schaute seine Mutter aus großen Augen an. »Nein, Mom, ich… ich habe es nicht gestohlen.«
»Aber Mike, du kannst mir doch nicht erzählen, dass du…«
»Nein, Mom!« Der Junge unterbrach seine Mutter mit einem lauten Schrei. »Ich habe es nicht gestohlen.«
»Also gefunden?«
»Auch nicht.«
»Sondern?«
»Das hat mir jemand gegeben, Mom.«
Mary Farlane ging in die Knie, um mit ihrem Sohn auf gleicher Höhe zu sein. »Dir hat jemand Gold gegeben?«
»Geschenkt.«
»Und wer?«
Der Junge hatte Tränen in den Augen. Er musste sich einfach Zeit mit der Antwort lassen und begann zu schlucken. »Aber… aber du musst mir glauben, Mom, echt …«
»Also, wer hat es dir geschenkt?«
»Da war ein Monster. Von dem habe ich das Gold.«
Die Frau verzog das Gesicht, stand auf und holte tief Luft. »Wie? Was soll das gewesen sein?«
»Ein Monster.« Mike breitete die Arme aus. »So riesig. Ich habe es gesehen, es weinte sogar.«
»In welchem Buch hast du das denn gelesen?«
»In keinem Mom. Das stimmt. Das Monster kam und weinte goldene Tränen. Sie fielen zu Boden. Ich hatte mich ja versteckt, und als es weg war, hob ich die Tränen auf. Die waren nicht mehr wie Wasser, sondern fest. Ehrlich, Mom.«
Mary Farlane musste sich beherrschen, um nicht loszuschreien. Sie hatte ja schon viel gehört. Aber was ihr Sohn ihr da unter die Weste jubeln wollte, spottete jeder Beschreibung. Ein Monster hatte goldene Tränen geweint und ließ es zu, dass Mike die erstarrten Tränen aufhob. Das war noch mehr als ein Märchen.
Nie und nimmer nahm sie ihm das ab und war gleichzeitig enttäuscht darüber, dass Mike so log.
»Ich hätte nicht gedacht, mein Junge, dass du deine Mutter so anlügen kannst.«
»Ich… ich habe aber nicht gelogen, Mom.«
»Wer war denn noch dabei? Hat es einer gesehen? Hat dich jemand beobachtet, als du die beiden Goldklumpen an dich genommen hast?«
»Nein, Mom.«
»Dann ist es für mich klar, dass du…«
»Was ist für dich klar, Mary?« Die Badezimmertür wurde aufgestoßen, und Jack Farlane stand auf der Schwelle.
Die Frau erschrak und presste ihre Hände gegen den Busen. »Jack, endlich!« rief sie.
Der breitschultrige, sympathisch wirkende Mann mit dem dunkelbraunen Oberlippenbart lächelte, als er ins Bad trat, die Arme ausstreckte und seine Frau begrüßen wollte. Sie entzog sich jedoch seinem Griff und deutete auf die beiden Goldstücke.
»Sieh dir das an, Jack. Die hat dein Sohn mitgebracht!«
»Ich habe sie nicht gestohlen!« jammerte der Junge. »So glaubt mir doch endlich.«
Jack Farlane war verwirrt. Mit den fünf Fingern seiner rechten Hand fuhr er durch sein ebenfalls braunes Haar und blickte seine Frau verständnislos an. »Ich sehe hier Gold, höre was von Stehlen. Kann mir denn endlich mal einer erklären, was geschehen ist?«
»Mike wird es dir sagen.«
»All right.« Jack breitete die Arme aus und nahm neben den Goldstücken auf dem Wannenrand Platz. »Bitte, Mike, du darfst erzählen!«
Der Junge stand wie ein reuiger Sünder vor seinem Vater. Den Kopf hielt er gesenkt, während aus seinen Augen Tränen liefen und an den Wangen entlangrollten. »Ihr glaubt mir ja doch nicht«, sagte er stockend.
Jack Farlane lächelte aufmunternd. »Versuche es trotzdem. Ja?«
»Okay, Dad, aber du musst mir glauben.«
»Habe ich dir bisher nicht immer geglaubt?«
»Das stimmt.«
»Also, dann los!«
Und der Zehnjährige begann. Er blieb nicht ruhig stehen, trat von einem Fuß auf den anderen, nahm während der Erzählung die Arme zu Hilfe, und hatte das Glück, an einen Vater geraten zu sein, der auch durch seinen Beruf geformt war.
Da hatte es Jack Farlane nämlich gelernt, den Menschen zuzuhören, wenn sie ihm
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