0314 - Elektronische Hölle
Lippen zitterten, der Mund stand offen. Speichel rann über die Unterlippe.
Er fiel in kleinen Tropfen bis zu den Oberschenkeln des Mannes.
»Nun?« fragte Mike, »hat es dir gefallen, Harry?«
»Irre!« keuchte Boßbach. »Einfach irre.« Er atmete pumpend.
»Aber weshalb ist es vorbei?«
»Es ist nicht vorbei, Harry!«
»Nein!«
Mike schüttelte den Kopf; »Das Beste kommt noch, mein Lieber. Du wirst dich wundern.«
»Ja, ja… aber was?«
»Warten, Harry und Geduld haben. Jeder wird bei mir bedient. Jeder, hörst du?«
»Klar, Mike, klar.«
Broicher hatte sich wieder zurückgezogen. Seine Lippen kräuselten sich, als er lächelte, und plötzlich übernahm nicht mehr Boßbach das Kommando über die Wand, sondern ein anderer, der sie in Wirklichkeit dirigierte.
Der Teufel!
Seine Gestalt war auf jedem Schirm zu sehen. Wieder zwanzigmal der Satan.
Schrecklich, furchterregend, und diesmal nicht nur als Gesicht, sondern als gesamte Gestalt, die von einem feurigen Kranz umlodert wurde.
Harry Boßbach beobachtete fasziniert die Vorgänge auf den zwanzig Monitoren. Die Anwesenheit des Teufels hatte ihn in einen Bann geschlagen. Nun zeigten die Schirme nicht mehr seine aus dem Unterbewußtsein hervorgeholten Gedanken, sondern die Welt des Teufels.
Eine schreckliche Welt. Szenen, wie sie die Künstler des Mittelalters schon in apokalyptischer Art und Weise auf der Leinwand oder in Holz geschnitzt hatten.
Die Holle öffnete über Video ihre Pforten. Sie präsentierte sich einem Menschen, zeigte ein Pandämonium von kaum zu beschreibender Intensität. Harry Boßbach sah Szenen und Wesen, die er sich sicherlich nie hatte vorstellen können, und er wurde von diesen Dingen so in den Bann geschlagen, daß er die Umwelt vergaß.
Video total.
Die Hölle en masse!
Über allen reagierte der Teufel. Er dirigierte, er wies an, er zeigte, was er war, sein Lachen war wie ein höllisches Gewitter, das irgendwo verrollte.
Und Harry sah sich.
Plötzlich saß er nicht nur auf dem Stuhl, sondern befand sich auf dem Monitor. Zwanzigmal konnte er sich erkennen. Jedes Detail nahm er wahr, und er erlebte auf dem Bildschirm die Schrecken mit.
Ein Schrei drang aus seinem Mund.
Furchtbar, selbst Mike, der damit gerechnet hatte, zuckte zusammen.
Als der Schrei verhallte, verschwanden auch die Bilder von den Schirmen.
Nur die Stimme des Teufels war zu hören. Diesmal drang sie hallend aus den beiden großen Lautsprechern.
»Ich habe dir geholfen, Mike. Du siehst also, daß du dich auf mich verlassen kannst.«
Broicher nickte.
Er hatte sich die Szenen ebenfalls angesehen. Vielleicht wäre er vor wenigen Tagen noch fluchtartig weggelaufen, doch wer mit der Hölle paktierte, mußte auch ihre Folgen ertragen und alles, was mittelbar oder unmittelbar damit zusammenhing.
Unbeeindruckt war Mike von dem Geschehen nicht geblieben. In seinem Gesicht zuckte es, und der Magen lag wie ein Klumpen in seinem Körper. Langsam setzte er sich in Bewegung, schritt um den Stuhl herum und blieb davor stehen.
Jetzt konnte er Harry Boßbach ins Gesicht schauen.
Ein dünner roter Faden stach ihm ins Auge. Er rann aus Boßbachs Mundwinkel und näherte sich dem Kinn.
Von der bleichen Haut stach er besonders scharf ab, und als Broichers Blick höher wanderte, schaute er in die gebrochenen Augen des ehemaligen Angestellten.
Der Teufel hatte Wort gehalten.
Harry Boßbach lebte nicht mehr…
Mike Broicher atmete tief aus. Er bewegte hektisch die Augenbrauen.
Dabei warf seine Stirn Falten, und der Atem floß pfeifend über seine Lippen.
Es dauerte einige Zeit, bis ihm bewußt wurde, was tatsächlich geschehen war.
Zum erstenmal hatte seine erfundene Maschine einen Menschen getötet. Aber war es wirklich die Video-Maschine gewesen, oder verbarg sich dahinter nicht ein anderer?
Der Teufel vielleicht?
Nein, nicht nur vielleicht. Das stimmte sogar. Der Teufel war derjenige, der alles steuerte und leitete. Er nutzte die Technik und den Menschen Mike Broicher aus, um seine Ziele zu erreichen.
Als Broicher die Arme ausstreckte, um den Helm vom Kopf des Toten zu heben, zitterte er so stark, daß er zweimal nachgreifen mußte. Ihm war auch klar, daß er Harry nicht einfach sitzen lassen konnte. Er mußte ihn irgendwie wegbringen und vielleicht vergraben.
Dann dachte er darüber nach, wer ihn vermissen konnte. Hatte Harry Verwandte gehabt? Geredet hatte er darüber niemals. Aber Mike fiel ein, wer ihm gefährlich werden und mit Harry in Kontakt
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