0314 - Elektronische Hölle
Walter Broicher gehört zu den Leuten, die sich lieber im Hintergrund halten. Man sieht ihn selten auf großen Festen und Feiern, obwohl er in seinem Haus hin und wieder berühmtberüchtigte Feten gibt.«
»So wie heute«, sagte Suko.
»Ja.«
Will hatte uns kurz vor dem Abflug noch in London angerufen und uns mit neuesten Informationen versorgt.
»Sind wir denn eingeladen?« fragte ich.
Kommissar Mallmann lachte. »So weit geht die Liebe doch nicht. Aber wir werden uns schon Einlaß verschaffen und vor allen Dingen mit dem Sprößling Michael reden.«
»Er ist der Video-Mann?«
»Und wie!«
»Weißt du mehr?« fragte Suko.
Will nickte, gab Gas und huschte an einem mit fünf jungen Leuten besetzten Golf vorbei. Wir hatten Glück mit dem Wetter. Zwar lag über Deutschland ein ebenso trüber Winterhimmel wie über England, aber die Temperaturen hatten den Gefrierpunkt überschritten.
Es bestand keine Frostgefahr, und Schnee rieselte auch nicht aus den Wolken.
»Ich habe ja nachgeforscht«, begann Will mit seiner Antwort, »und fand heraus, daß alle Filme, die Eltern und Kinder so erschreckt hatten, vorher von Michael Broicher geliehen worden waren. Er hat die Filme nicht ausgetauscht, denn wenn man eine Kassette einlegte, begann sie mit einem Märchenfilm, meinetwegen Hänsel und Gretel, obwohl die Geschichten ja auch nicht gerade harmlos sind, dann aber folgte der Hammer. Es wurden Dinge gezeigt, die könnt ihr euch nicht vorstellen. Wer so etwas gedreht hat, muß krank sein.«
Ich unterbrach ihn. »Ist denn sicher, daß diese Szenen gedreht worden sind?«
»Das frage ich mich auch.«
»Hast du eine Lösung?«
»Nein, eine Vermutung. Ich sah die Streifen mehrmals und habe des öfteren Asmodis erkannt. Und zwar genau den Teufel, so wie wir ihn kennen. Nicht anders. Er muß einfach seine Finger im Spiel gehabt haben. Eine andere Erklärung gibt es für mich nicht.«
»Hast du weitere Dämonen entdeckt?« wollte ich von ihm wissen.
»Wieso?«
»Ich meine Jane Collins oder andere«
»Nein, nur den Teufel.«
»Er ist auf der Suche nach Jane«, murmelte ich. »Und da nutzt er wohl jedes Mittel.«
»Weshalb sucht er sie?« fragte Will.
»Ach, du weißt ja nichts. Inzwischen ist unheimlich viel passiert, aber so viel, daß ich es dir nicht im einzelnen erklären kann. Es gibt keine Wikka mehr, und Jane steht auf der Abschußliste des Teufels. Ihr ist es leider gelungen, den Würfel des Unheils an sich zu nehmen, und dadurch besitzt sie eine ungeheure Macht. Das ist unvorstellbar. Sie kann selbst gegen die Hölle angehen.«
Mallmann lachte. »Klar, daß der Satan dann durchdreht.«
»Wir müssen uns also auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Teufel und Jane Collins gefaßt machen.«
»Und der Spuk?« fragte Will.
Da hatte er einen wunden Punkt getroffen. Der Spuk war die unbekannte Größe im Hintergrund. Eine Gestalt, ein Wesen, das beinahe mächtiger als der Teufel war. Daß der Spuk daran interessiert war, den Würfel in die Hände zu bekommen, lag auf der Hand. Nur hatte er sich seltsamerweise bis heute stark zurückgehalten.
Vielleicht wollte er auch der lachende Dritte sein.
Will Mallmann wollte es wissen und rutschte auf die äußerste linke Fahrspur. Wir huschten an der Raststätte Medenbach vorbei und hatten einen herrlichen Blick in das vor uns liegende Tal. Rechts und links der Autobahn wölbten sich die Hänge des Taunus. Geschwungene Hügel mit Wäldern und Wiesen. Dort schimmerte es weiß.
»Bevor wir uns in Theorien oder Vermutungen verlieren, sollten wir uns voll und ganz auf Michael Broicher konzentrieren«, sagte der immer logisch denkende Kommissar Mallmann. »Seid ihr einverstanden?«
»Natürlich«, erwiderte Suko gleich für mich mit.
»Wo müssen wir ab?«
»Bad Schwalbach«, kam die prompte Antwort. »Es dauert nicht mehr lange. Dort suchen wir uns ein Hotel.«
Der Kommissar hatte sich nicht verschätzt. Es vergingen tatsächlich nur Minuten, bis die Abfahrt auftauchte. Will fuhr bereits auf der rechten Seite. Neben uns donnerte ein Truck vorbei. Es sah aus, als wollte er den Manta verschlucken.
Von der Abfahrt bis zum Ziel war es ebenfalls nicht sehr weit. Wir erreichten einen herrlichen kleinen Ort, der eingebettet zwischen den Hügeln des Mittelgebirges lag.
Winterliche Ruhe herrschte. An den Hängen lag Schnee. Im Ort selbst war keiner zu sehen.
Ein Hotel fanden wir auch. Drei Einzelzimmer standen ebenfalls zur Verfügung, und nachdem wir uns ein wenig frisch
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