0315 - Wenn der Totenvogel schreit
machte eine lässige Handbewegung. »Bitte.«
Ich begann bei Lady Sarah Goldwyn und sah bei dem Baron kaum eine Reaktion. Er verzog nicht einmal das Gesicht. Als ich ihm erklärte, wer ich war, zuckte er unmerklich zusammen.
»Scotland Yard?«
»Ja, Sir.« Um meine Worte zu unterstreichen, präsentierte ich ihm den Ausweis.
Er schaute ihn sich sehr genau an, bevor er ihn mir mit spitzen Fingern und einer Bemerkung zurückgab. »Ich habe noch nie mit der Polizei zu tun gehabt und wüsste auch nicht, was es für einen Grund geben sollte.«
Ich ließ den Ausweis wieder verschwinden und hob die Schultern.
»Ich kann Sie beruhigen, Baron, es geht nicht um Sie.«
»Sondern?«
»Sie kennen einen Mann mit dem Namen Ernest Ragg.«
»Ja, er war bei mir angestellt.«
»Dann wissen Sie von seinem Tod?«
»Ich bin informiert.«
»Als was hat er bei Ihnen gearbeitet?«
»Ich setzte ihn als Gärtner ein. Er war zuverlässig und hielt alles in Ordnung.« Der Baron legte die Hände zusammen. »Nur verstehe ich nicht den Grund Ihres Kommens. Ernest Ragg ist eines natürlichen Todes gestorben, man berichtete mir von einem Herzschlag. Weshalb kümmerte sich die Polizei und ausgerechnet Scotland Yard darum?«
»Mrs. Goldwyn und ich waren dabei, als er starb.«
»Das ist zwar unangenehm für Sie gewesen, aber ich sehe trotzdem keinen Grund.«
Jetzt mischte sich Lady Sarah ein. »Er hat etwas von seinem Tod geahnt, Herr Baron.«
»Wirklich?« Der Mann lächelte knapp und nickte. »Ja, so etwas soll es geben.«
»Das wäre natürlich noch immer kein Grund«, nahm Lady Sarah den Gesprächsfaden wieder auf, »wenn er mir nicht eine etwas geheimnisvolle Geschichte erzählt hätte.«
»Ich bin gespannt.«
»Er sprach von einem Totenvogel.«
Der Baron lächelte schmal. »Was Sie nicht sagen, Mrs. Goldwyn. Was soll das für ein Tier sein?«
»Er hat es mir nicht genau beschrieben, aber er kannte seine Reaktionen. Möglicherweise sah er nur den Schatten, allerdings vernahm er seinen Schrei… Und wie die Geschichte berichtet, sind all diejenigen Menschen, die den Schrei des Totenvogels hören und das Tier gleichzeitig sehen, dem Sterben sehr nahe. Bei ihm traf es zu. Deshalb sind wir hier.«
»Ist das wirklich der einzige Grund?«
Diesmal wurde ich von dem Baron angesprochen.
»Ja, Sir.«
Der Duke of Hanlock begann zu lachen. »Das darf doch nicht wahr sein. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, nein, um Himmels willen, Sie machen Scherze.«
»In diesem Fall nicht.«
»Was habe ich damit zu tun?« fragte er mich scharf.
Ich deutete in die Runde. »Schauen Sie sich die Vögel an, Baron. Sie sind doch ein Liebhaber dieser Tiere.«
»Das stimmt. Ich sammle Vögel und stopfe sie selbst aus. Es ist mein Hobby.«
»Sie verstehen es also, mit Vögeln umzugehen?«
»Darauf können Sie sich verlassen.« Der Baron blieb nicht mehr stehen, setzte sich in Bewegung und ging einige Schritte in die Mitte der kleinen Halle hinein. »Und ob ich mich darauf verstehe.« Er streckte den rechten Arm aus und führte ihn im Kreis. »Sehen Sie sich die Tiere doch einmal an. Da ist zum Beispiel ein Falke, daneben ein Sperber, auch Adler habe ich hier. Alles prächtige, wunderbare Geschöpfe. Selbst der Schwan, den ich besonders liebe…«
»Auch Krähen?« unterbrach ich ihn.
Der Baron blieb stehen und drehte sich um. »Wie kommen Sie ausgerechnet darauf?«
»Es war nur eine Frage. Ich vermisse eigentlich die ausgestopften Krähen. Ich meine, es ist doch leicht, an diese Vögel heranzukommen. Man findet sie zu Hunderten oder Tausenden hier.«
»Was bezwecken Sie mit einer solchen Fragestellung? Sie haben mich nicht umsonst darauf hingewiesen. Kein Polizist tut so etwas.«
»Sehr gut kombiniert, Duke«, sagte ich. »Es geht mir tatsächlich um Krähen, weil wir von ihnen angegriffen worden sind.«
»Wie das?«
»Auf der Fahrt hierher. Die Schwärme kamen plötzlich. Wir hockten im Wagen und konnten nichts tun…«
Das Lachen des Dukes unterbrach mich. »Sie machen sich über mich lustig, Mr. Sinclair.«
»Dazu hätte ich keinen Grund.«
»Wie sollen Krähen Menschen angreifen, die in einem Auto sitzen?«
»Danach möchte ich Sie fragen.«
»Mich?« Er tippte gegen seine Brust. »Wie käme ich dazu, Ihnen eine Antwort zu geben?«
»Wissen Sie keine?«
»Nein. Ich bin zwar in gewisser Hinsicht ein Ornithologe, aber ich betreibe meine Leidenschaft nur als Hobby und nicht wissenschaftlich. Außerdem glaube ich Ihnen nicht, dass Sie
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