0318 - Im Reich der Monster-Spinnen
faßte.
»Wer sind Sie?« hauchte die Engländerin.
»Ich heiße Nadine Lafour.«
»Und was machen Sie hier?«
Da lachte die Blondine auf. »Was ich hier mache? Ich bin gefangen und warte, ebenso wie Sie, auf den Tod…«
***
Sie wartete auf den Tod!
Die Antwort der Frau löste einen Schock bei Claudia aus. Dieser eine Satz hatte ihr ihre Chancenlosigkeit drastisch vor Augen geführt. Nein, da gab es nichts, was man noch ändern oder retten konnte.
Sie wartete auf den Tod!
Wie schrecklich…
Claudia holte tief Luft. Ein paarmal mußte sie schlucken, bewegte dabei den Mund als wollte sie sprechen, doch kein Wort drang über ihre Lippen, weil die Lage einfach zu schrecklich für sie war.
»Und wer bist du?« wurde Claudia gefragt.
Sie sagte ihren Namen.
»Auch keine Spanierin.«
»Nein, ich komme aus London.«
»Was hat dich denn hierher verschlagen?«
»Die Suche nach meinem Bruder. Er war hier…«
»Hieß er vielleicht Henry?«
Claudia erschrak, als sie die Frage vernahm. »Ja, natürlich, kanntest du ihn?«
»Und wie ich ihn kannte. Wir haben uns zufällig getroffen oder auch nicht, das kann man in unserem Job nicht so genau wissen.«
Claudia schaute auf die Kerzenflamme und in das über ihr schwebende Gesicht. »Dann gehörst du auch zu dem Club, oder?«
»Sehr richtig. Ich werde von der Regierung bezahlt und habe mich für den Job freiwillig gemeldet, weil einige Basken meinen Bruder erschossen haben.«
»Aber das hier hat mit den Basken nichts zu tun?«
»Genau, mein Kind. Die Basken und dies hier sind zwei verschiedene Paar Schuhe.«
Claudia nickte, als wäre ihr alles klar. »Und was machen wir jetzt?« wollte sie wissen.
»Nach einem Ausweg suchen.«
»Gibt es den denn?«
»Wahrscheinlich ja. Aber wir müssen ihn finden.«
»Dann sollen wir den Berg durchwandern?«
»So ist es.« Nadine lachte auf. Mit einer Hand strich sie über ihre Figur und den Kleiderstoff. »Schau dir dieses Fähnchen an. Sie haben mich fast aus dem Bett geholt, die Schweine.«
»Und wer?«
»Ich wohnte in der Bodega. Oder hast du Okastra nicht gesehen, meine Liebe?«
»Doch, ja…«
»Dann weißt du ja Bescheid.« Nadine Lafour kam näher und strich über Claudias Wange. »Keine Bange, Mädchen, er wird uns noch am Leben lassen.«
»Welchen Grund sollte er dafür haben?«
»Vielleicht braucht er Opfer.«
»Für wen?«
»Nicht für sich oder indirekt auch, wie man’s nimmt. Na ja, lassen wir das!«
»Nein, Nadine!« Claudia legte ihrer neuen Bekannten eine Hand auf die Schulter. »Ich möchte endlich wissen, was gespielt wird. Da stimmt doch etwas nicht…«
Nadine nickte. »Du hast recht, Mädchen, hier ist einiges nicht in Ordnung, aber ich kann dir das beim besten Willen nicht alles erzählen. Das muß man erlebt haben.«
»Was denn?«
Nadine schüttelte den Kopf. »Laß uns gehen, Claudia, es ist wirklich besser!«
Mit dieser Antwort war die Engländerin zwar nicht einverstanden, doch was sollte sie machen? Nadine hatte hier die älteren Rechte. Sie war schon länger eine Gefangene und kannte sich unter Umständen in dem unterirdischen Labyrinth des Bergs aus. Ihr Blick glitt tiefer und blieb auf der Kerze haften.
Nadine Lafour hatte sie auf einen viereckigen Stein gestellt und dort festgewachst. So konnte sie die Kerze besser transportieren.
»Das Licht wird nicht mehr lange reichen!« bemerkte sie, als sie den Blick der Engländerin sah. »Tut mir leid.«
»Und was machen wir dann?«
»Hast du kein Feuer?«
»Moment«, flüsterte Claudia und suchte in einer Rocktasche nach.
Als sie die Hand hervorzog, hielt sie ein kleines Einweg-Feuerzeug zwischen den Fingern.
»Das ist alles.«
Die Französin hob die Schultern. »Besser als nichts. Dann komm jetzt und halte dich immer dicht hinter mir.«
»Aber wo willst du hin?« rief Claudia verzweifelt. »Kennst du den Weg nach draußen?«
»Das nicht, doch es muß ihn geben. Überleg mal. Würden wir sonst Luft bekommen?«
»Das stimmt…«
»Also gibt es noch Schächte, die an, die Oberfläche führen. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.«
»Ja, das ist möglich…«
»Halt dich immer an meiner Seite. Und sei hübsch vorsichtig, dann passiert dir nichts.«
Nadine sprach mit ruhiger Stimme, die Claudia Darwood so etwas wie Vertrauen einflößte.
Und so gingen die beiden Frauen in die Dunkelheit hinein. Meter für Meter stachen sie tiefer in den Berg. Sie spürten unter ihren Füßen den felsigen Boden, und die Kerzenflamme
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