032 - Der Opferdolch
würden sie ihn sicher nicht schonen und entkommen lassen wie nach der Landung der DC 9 auf dem Militärflugplatz.
Die Horrormeute stob heran, aber da ertönte im Hintergrund ein schriller Pfiff. Wieder sah Dorian undeutlich die gnomenhafte Gestalt mit dem riesigen Kopf. Der Kopf schimmerte gelblich, das Gesicht hingegen weiß. Mehr konnte Dorian nicht erkennen, denn der Unheimliche war gleich darauf in einer Nische verschwunden.
Auch Vavra Noli hatte ihn gesehen. »Das ist er! Das ist der Mbret!« wimmerte sie. »So ist er von den wenigen beschrieben worden, die ihn sahen, ohne daß sie seinen dämonischen Heerscharen zum Opfer fielen. Wir sind verloren. Gott sei uns gnädig!« Sie fiel auf die Knie.
Die Untoten und Vampire waren stehengeblieben, ja sie zogen sich sogar zurück. Während Dorian noch zu ihnen hinsah, den Dolch fest umklammert, lief einige Meter vor ihm ein breiter Riß quer über die Decke. Zuerst rieselten kleine Steinchen herab, dann große Brocken, und schließlich kam ein Teil der Decke herunter und verschüttete den Gang auch hinter dem Dämonenkiller und Vavra Noli. Das konnte kein Zufall mehr sein. Der Mbret hatte die Decke zum Einsturz gebracht. Dorian und Vavra saßen gefangen.
Vavra Noli und Dorian Hunter arbeiteten abwechselnd und auch mit vereinten Kräften. Sie räumten die Steine zur Seite und arbeiteten zäh und verbissen an der Beseitigung der Barriere. Dorian riß sich die Hände blutig, und nach einer Weile begann sein Rückgrat zu schmerzen.
Im Innern der Erde war es brühwarm. Dorian hatte längst Jacke und Hemd ausgezogen und arbeitete mit freiem Oberkörper. Der Schweiß lief ihm in Strömen herunter.
Vavra war eine starke, knochige Frau. Kaum ein Tropfen Schweiß rann über ihr derbes, sonnenverbranntes Gesicht. Sie legte kein einziges Kleidungsstück ab und schuftete in ihrem langen schwarzen Wollrock und der dicken Bluse. Ein herber, kräftiger Erdgeruch ging von ihr aus. Durch die schwere Arbeit auf dem Feld gestählt, konnte sie es mit jedem Mann aufnehmen.
Nach sechs Stunden hatten Dorian und Vavra tatsächlich den größten Teil der Steine weggeräumt. Bäuchlings auf den kantigen Brocken liegend, konnte der Dämonenkiller durch einen schmalen Spalt unter der Decke in den hinter dem Geröll liegenden Gang sehen.
Er fluchte vor Enttäuschung. Die Kreaturen des Mbret hatten inzwischen eine Mauer errichtet.
Dorian und Vavra saßen eine halbe Stunde da und ruhten sich aus, dann begannen sie wieder mit der Arbeit. Am Morgen waren sie so weit, daß sie über das Geröll hinwegkriechen konnten. Sie zerrissen sich die Kleider und schürften sich die Haut auf.
Dorian wußte, daß er jetzt nicht aufgeben durfte. Mit dem Manichäerdolch begann er, den Mörtel aus den Fugen zwischen den Bruchsteinen der Mauer zu kratzen. Es war eine mühselige Arbeit; aber nach einiger Zeit konnte er einen Stein herauslösen. Dahinter befand sich ein weiterer Stein, und als Dorian auch diesen entfernt hatte, war da noch einer. Um aber an den nächsten Stein heranzukommen, mußte Dorian zunächst einmal einige der vorderen Steine herauslösen.
War es ein Geräusch in seinem Rücken, das ihn warnte, oder war es sein im Kampf gegen die Dämonen geschärfter Instinkt? Er wirbelte herum, duckte sich und entging so dem wilden Schlag Vavra Nolis, die mit einem platten Stein ausgeholt hatte.
Dorian hatte im Dunkeln gearbeitet, um die Taschenlampenbatterie zu schonen; jetzt knipste er sie an. Im Lichtstrahl sah er ein verzerrtes Gesicht und starre, glasige Augen. Vavra befand sich wieder im Bann dämonischer Mächte. Wie eine Furie ging sie auf ihn los.
Der Dämonenkiller schlug zu – härter, als er es beabsichtigt hatte. Vavra prallte mit dem Kopf auf die Steine und verlor die Besinnung.
Dorian hielt ihr den Manichäerdolch an die Stirn und die Schläfen. Dann befeuchtete er seine Hände mit dem von der Wand tropfenden Wasser und rieb ihr Gesicht, bis sie die Augen aufschlug.
»Was ist passiert?«
»Du hast mich angegriffen.« Er gab ihr den Manichäerdolch. »Drück ihn dir auf die Stirn, wenn du einen neuen Angriff spürst.«
Vavra nickte verwirrt. Zusammenhanglos sagte sie: »Ich hätte das Pferd nicht mit zum Haus zurücknehmen sollen. Ich hätte es bei Gjergj oder sonstwo in der Stadt lassen sollen. Jetzt haben es die Untoten erwischt. Mein gutes Pferdchen!«
Das Arbeitspferd zu verlieren, schien für die Bäuerin ein schwerer Schlag zu sein. Schweigend nahm sie Dorian den Dolch aus
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