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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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versuchen, einen Stall zu finden, wo ich sie unterstellen kann", warf Telor ein. „Ich habe noch etwas zu erledigen und werde mich unterwegs erkundigen. Falls ich keinen Stall finde, bringe ich Heu und Hafer mit."
    Carys hatte das kleine Mädchen scharf angeschaut, nachdem der Koch gesagt hatte, es sei nicht mehr so jung, und stellte überrascht fest, dass das Gesicht nicht das eines Kindes war. Das Mädchen war auch nicht verwachsen wie ein Zwerg, der einen übergroßen Kopf, einen verbogenen Rücken und zu kurze Gliedmaßen hatte. Es war ganz perfekt - Carys bemerkte, dass es unter dem weit geschnittenen Kittel sogar wohl geformte Brüste hatte. Es war jedoch nicht größer als ein achtjähriges oder neunjähriges Kind. Carys' Betroffenheit legte sich einen Moment lang, und sie wollte soeben Deri in die Rippen stoßen und auf das hinweisen, was er, während Telor geredet hatte, offenbar noch nicht bemerkt hatte.
    Die Angst erfasste sie jedoch aufs Neue und trieb ihr die Existenz des kleinwüchsigen Mädchens aus dem Sinn. „Was hast du zu erledigen, Telor?" fragte sie furchtsam.
    „Ich muss einige Sachen kaufen, in denen ich vor Lord William auftreten kann", antwortete er leise. „Deri und
    ich müssen so schnell wie möglich die Soldatenkleidung loswerden."
    „Wie wahr!" stimmte der Zwerg zu. „Der erste Mann, der mich in diesem Kettenhemd aufstehen sieht, wird sofort nach seinem Hauptmann schreien. Ich werde zur Rückseite des Hauses huschen, sobald es mir möglich ist. Du kaufst besser auch für mich eine Tunika, und eine Nadel und Faden, damit ich den Saum abnähen kann."
    „Du gehst besser morgen selbst los, kaufst dir Sachen und lässt sie dir anpassen", erwiderte Telor. „Du weißt, du bekommst nie welche, die weit genug sind ..."
    „Nein", unterbrach Deri ihn scharf. „Ich brauche etwas, das ich heute Abend tragen kann."
    Kaum hatte er den Satz beendet, stand er auf und lief zur Tür des Speisehauses.
    Telor bedeutete Caiys zu bleiben, wo sie war, und folgte ihm hinaus.
    „Warum willst du heute Abend ausgehen, Deri?" fragte er.
    „Du Narr!" schnaubte der Zwerg. „Warum sollte ich mit dir und Carys im selben Raum schlafen und eurem Geschä-ker zuhören? Heute Abend habe ich Gold im Beutel, mehr als genug, um mir damit Vergnügen zu verschaffen. Du hast mir deutlich zu verstehen gegeben, dass meine Warnung nicht genügt hat, um dich davon abzuhalten, mit Carys zu spielen."
    „Ich spiele nicht mit ihr", entgegnete Telor gereizt.
    „Keine Dorfmädchen mehr?" Zweifelnd zog Deri boshaft die Augenbrauen hoch.
    „Keine Dorfmädchen mehr, und auch keine vornehmen Damen", antwortete Telor, doch seine Stimme hatte nicht mehr verärgert geklungen. „Das ist keine plötzliche Tugendhaftigkeit meinerseits. Mir scheint, ich habe den Geschmack an ihnen verloren."
    „Für wie lange?" Die Frage hätte verächtlich klingen können, doch das war nicht der Fall gewesen, und Deris tiefe Besorgnis veranlasste Telor, erneut zu seufzen.
    „Für so lange, wie Carys mich haben will", antwortete er fest. „Du hattest Recht, als du sagtest, dass es mich von Anfang an nach ihr gelüstet hat, nach ihrem Körper, ihrem süßen Gesicht und ihren leuchtenden Augen, aber das alles unterscheidet sich sehr von purer Lust, Deri. Ich fühle mich erfüllt, wenn Carys bei mir ist, und leer, wenn
    wir getrennt sind. Ihre Fröhlichkeit und außerordentliche Courage heben meine Lebensfreude."
    „Du warst schon immer sehr beredt", bemerkte Deri mit einem Anflug von Verbitterung, die indes nichts mit Telor zu tun hatte. Er war wirklich bestürzt gewesen, als Telor darüber redete, was seiner Ansicht nach Carys' Schönheit war, denn er selbst hatte Carys nie attraktiv gefunden. Die Tatsache, dass Telor diesen harten, fast mageren Körper und das spitze Gesicht schön fand, zeugte von der Tiefe seiner Gefühle für Caiys. Deri wusste, es gab keine Hoffnung, dass Telor Carys je leid sein werde, und sie würde wie eine Klette an ihm hängen, weil sie sich bei ihm glücklich und sicher fühlte, genau so, wie er selbst sich gefühlt hatte, und weil Frauen den Barden nie leid zu sein schienen. Und Deri wusste, Telor werde Wort halten und Carys so lange, wie sie ihn haben wollte, treu sein. Es würde also keine Eifersucht zwischen beiden geben, die sie auseinander bringen konnte.
    Da Telor so mit seinen Gefühlen befasst war, verstand er zum ersten Mal Deris Tonfall und Miene falsch und schüttelte heftig den Kopf. „Das waren nicht nur

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