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den Sattel geklammert, vor Angst zitternd, aber still. Anschließend befestigte sie die Zügel eines Packpferdes am Sattel des anderen Pferdes, ergriff den losen Zügel mit einer Hand und saß auf.
Sie war beinahe ebenso verängstigt wie Ann. Sie war kaum eine erfahrene Reiterin und musste sicherstellen, dass Ann nicht vom Pferd rutschte, die beiden Packtiere unter Kontrolle halten und auch noch mit ihrem Pferd zurechtkommen. Zum Glück waren die Pferde nicht sehr jung, und selbst die tagelange Bewegungslosigkeit führte nicht
zu sehr viel Lebhaftigkeit. Außerdem gab es in den ruhigen Straßen der Stadt nichts, das die Tiere hätte erschrecken können, und der langsame Ritt zum Tor ermöglichte es Ann, sich ein wenig an ihre Haltung und die Bewegungen des Pferdes, auf dem sie saß, zu gewöhnen.
Die beiden in Kapuzenmäntel gehüllten Gestalten passierten die Wachen, ohne dass diese mehr als einen flüchtigen Blick in deren Richtung warfen. Noch lange ritten sie schweigend die Straße entlang, weil Carys befürchtete, ihre und Anns Stimmen würden irgendwie zu den Wächtern zurückschallen. Ann wagte überhaupt nicht, den Mund zu öffnen, da sie Angst hatte, dass das, was dann herauskommen würde, ein Entsetzensschrei wäre. Carys' Furcht legte sich zuerst, und da Caiys sich bewusst war, dass Ann vor Angst zitterte, beschloss sie, sie vom Reiten abzulenken.
„Hab keine Angst, du könntest zu Boden fallen. Du kannst nicht fallen, ganz gleich, wie unbehaglich du dich fühlst. Hör mir zu, statt dich so steif gerade zu halten, und dann wirst du dich bald dem Rhythmus des Pferdes angepasst haben und wohler fühlen."
„Nichts kann mir ein besseres Gefühl geben", erwiderte Ann seufzend. „Ich komme mir wie eine Erbse auf einem Ei vor, aber ich werde dir zuhören."
„Also gut. Ich habe dir erzählt, wie Orin den Herrn von Marston und Telors Lehrer Eurion ermordet und Telor beschlossen hat, Orin müsse bestraft werden. Daher hat Telor, um Lord William zu bewegen, Orin das eroberte Herrenhaus zu entreißen, versprochen, heimlich in Marston einzudringen und die Torriegel zu schwächen, damit das Tor beim ersten Stoß des Rammbocks auffliegt."
„Ich meine, dein Telor ist nicht recht bei Verstand", bemerkte Ann in sehr viel natürlicher klingendem Ton.
„ Du wirst, wenn du mehr über die Männer weißt, feststellen, dass alle Männer nicht ganz bei Trost sind", erwiderte Carys. „Ich frage dich, ob Deri, wenn das nicht der Fall wäre, nicht versucht hätte, Telor von einem so verrückten Einfall abzubringen.
Hat er das getan? Ganz und gar nicht! Er hat nur gejammert, weil man ihn, da er ein Zwerg ist, erkennen würde und er Telor daher nicht begleiten konnte. Ich weiß, du wirst mich gleich fragen, warum ich nicht versucht habe, die beiden von ihren Absichten abzubringen, und die Antwort wäre, dass Männer glauben, Frauen seien nicht ganz bei Trost, und nicht auf das hören wollen, was eine Frau ihnen sagt."
Ann gab ein kurzes, halb ersticktes Auflachen von sich, und die Art, wie sie sich an Carys festhielt, wirkte nicht mehr ganz so verzweifelt.
„Außerdem hatte Telor in diesem Fall Gründe für das, was er tat", fuhr Carys fort.
„Es würde zu lange dauern, sie dir zu erklären, weil das alles mit der Art Leben verwoben ist, das Schausteller führen ..."
„Erzähl es mir", bat Ann. „Erzähl mir nicht so viel über andere Akteure, sondern mehr darüber, wie du und Deri und Telor lebt."
„Das werde ich tun", erwiderte Carys ehrlich und dachte, dass Deri, nachdem Ann so viel für ihn riskiert hatte, das Mädchen in vorteilhafterem Licht sehen musste. Das musste Ann wissen. Also war sie klüger, als Carys angenommen hatte. Vielleicht war Ann abenteuerlustig, aber möglicherweise glaubte sie auch, dass sie Deri zwingen könne, sie aus einem Gefühl der Verpflichtung ob des von ihr gebrachten Opfers mitzunehmen. Auf diese Weise würde sie ganz gewiss der Bestrafung durch den Vater entgehen, doch ihr konnte Schlimmeres passieren, als nur eine Tracht Prügel zu bekommen. Sie sollte besser rechtzeitig erfahren, wie hart das Leben sein würde, das sie unter Fahrensleuten führen musste.
„Aber ich kann dir das jetzt nicht erzählen", fuhr Carys fort. „Zuerst musst du begreifen, was ich von dir verlange, und mir ehrlich sagen, ob du glaubst, dass du das tun kannst, und ob du irgendwelche Fähigkeiten hast, von denen ich noch nichts weiß. Ich glaube, Telor wird morgen in Marston eindringen, und Deri
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