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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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Durcheinander, wie das entstandene, eintreten sollte. Seit über sechs Jahren tobte der Bürgerkrieg in England ununterbrochen, und Lord William hatte beträchtliche Erfahrungen sowohl mit widerwilligen als auch mit übereifrigen Verbündeten gesammelt.
    Bei Klang der Hornstöße, die Deri erzeugt hatte, sprang auf dem Bauernhof Lord Williams Hauptmann auf die Füße. Er stieß einen Fluch aus, vergeudete jedoch nicht noch mehr Zeit, sondern befahl einem seiner Männer, sich auf Deris Pferd zu schwingen, ins Dorf Marston zu reiten und seinem Herrn mitzuteilen, der Angriff auf die Westpalisade habe begonnen. Dann führte er den Rest seiner Truppe im Laufschritt durch den Wald. Deri hatte, geduckt von einem Busch zum nächsten rennend, schon mehr als die
    Hälfte des offenen Geländes hinter sich. Da bemerkte ihn der Wächter, der einige Minuten lang durch den Angriff an der Westseite Marstons abgelenkt gewesen war, schoss einen Pfeil auf ihn und schrie um Hilfe, als die ganze Truppe aus dem Wald barst.
    Einige Bogenschützen, die auf die Westmauer zuhielten, blieben wie angewurzelt stehen und rannten dann nach Norden. Sie erkletterten den Wehrgang der Palisade, zogen Bolzen hervor und schoben, während sie sich verteilten, die Sehnen ihrer Armbrüste in die Haken an ihren Gürteln. Kein einziger von ihnen beachtete die kleine Gestalt, die sich von der Hauptmacht der sich nähernden Truppen davonstahl.
    Die beiden Wächter, die zwischen dem Mann, der den Alarm im Westen ausgelöst, und dem, der im Norden um Hilfe gerufen hatte, postiert waren, trennten sich und rannten los, um mitzuhelfen, die beiden Hauptangriffe abzuwehren.
    Beim Rennen hatte Deri die Palisade beäugt und hätte, als er das leere Teilstück der Mauer sah, gelacht, falls er genügend Luft gehabt hätte. Er blieb stehen, wirbelte den Haken über dem Kopf schneller und schneller und lehnte sich dann zurück, um einen schrägen Wurfwinkel zu haben. Und als es ihm so vorkam, dass das Gewicht ihn von den Füßen reißen würde, ließ er den Haken fliegen. Er grub sich in das Holz, doch inzwischen war der von den schreienden Männern auf der Mauer und dem Gebrüll der angreifenden Kämpfer erzeugte Lärm so stark, dass der Aufprall des Hakens übertönt wurde. Deri zog am Seil, um sicher zu sein, dass der Haken fest saß, und kletterte dann behände das mit Knoten versehene Seil hoch.
    Einige Zeit früher hatten die Köche in Marston, während der Nieselregen, der dem zweiten Regenguss folgte, langsam aufhörte, Portionen dicker Suppe und Scheiben groben Brots an die Truppe der Spielleute ausgeteilt. Carys hatte, um ihren guten Willen zu zeigen, darüber geredet, wo ihr Seil angebracht werden könne, und im Hof hierhin und dorthin gezeigt. Niemand bemerkte die kleine Hand, die zunächst über einen Kessel, in dem das Essen kochte, dann über den zweiten gehalten wurde. Die Schausteller lungerten im Küchenschuppen herum, wo es, derweil sie aßen, trocken war, und die Diener drängten sie, sich zu beeilen. Die Gaukler aßen jedoch so langsam, wie sie konnten, ohne sich das anmerken zu lassen. Als der Himmel sich zu verdunkeln begann und zum dritten Mal fernes Donnergrollen zu hören war, kam Orin persönlich über den Hof und befahl den Schaustellern, ihre Darbietungen in der Halle vorzuführen, damit es des Regens wegen keine weitere Verzögerung gäbe.
    Dann schaute er zum Himmel, der zunehmend finsterer geworden war, und sagte zu den Köchen: „Lasst jetzt in der Halle auftragen. Falls ihr wartet, werden wir mehr Wasser, als von euch beabsichtigt, im Essen haben."
    Carys war so verängstigt, dass sie sich einer Ohnmacht nahe fühlte. Sie hatte darauf gebaut, dass ihr Seiltanz jedermanns Aufmerksamkeit fesseln und einen Ausgleich für die schlechten Darbietungen der anderen Akteure bieten werde. Als der Regen einsetzte, hatte sie zu hoffen begonnen, dass, ehe der Angriff begann, überhaupt keine Vorführung stattfinden würde oder höchstens nur ihre Darbietung. Es war jedoch unmöglich, ihr Seil in der Halle zu spannen, erst recht, wenn die Bediensteten beim Servieren des Essens hin und her rannten. Orin würde Jongleure und Purzelbaumschläger erwarten, und der dürftige Ersatz, den man für das eine wie das andere hatte, seinen Zorn über die gesamte Truppe bringen. Carys wusste, sie und ihre Begleiter waren das Essen nicht wert, das sie verspeist hatten.
    Die Verzweiflung inspirierte sie, und sie winkte einen Mann aus der Stadt zu sich, der

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