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linken Fuß in den Steigbügel schieben und ohne Hilfe aufsitzen konnte. „Telor will seine Sachen zurückhaben. Wenn du arbeitest, solange du bei uns bist, kannst du die Kosten für das, was wir dir gekauft haben, mit einem Teil deiner Einnahmen abgelten. Falls du zu einer anderen Truppe gehst, wird deren Anführer zahlen müssen."
Deri war schon losgeritten, ehe Carys noch den Mund zugemacht hatte, der ihr vor Überraschung offen stehen geblieben war. Sobald sie den ersten Schreck verwunden hatte, sank sie auf die Knie und machte das Bündel auf. Einen weiteren Augenblick lang war sie wie erstarrt, während sie überwältigt auf die Fülle und Vielfalt der Kleidungsstücke schaute. Im nächsten Augenblick war sie jedoch auf den Beinen und rannte los. Sie holte Deri auf halbem Weg im Hof ein.
„Warte! Warte!"
Grinsend schaute Deri sie an. Wie vor den Buden der Händler machte sie auch jetzt so große Augen, dass man fast nichts anderes mehr von ihrem Gesicht zu sehen glaubte. Sie wirkten jedoch wie in der Sonne geschmolzenes Gold und sahen nicht mehr so dunkel vor Sehnsucht aus wie neulich, als sie das für sie Unerreichbare betrachtet hatte. Es freute Deri, dass er ihr solches Vergnügen bereitete, doch er äußerte nur spaßhaft: „Was? Du beschwerst dich schon? Du hattest nicht einmal die Zeit, etwas anzuprobieren, also kann es nicht daran liegen, dass die Sachen dir nicht passen. Und falls die Farben dir nicht gefallen, dann solltest du das nächste Mal nicht ohne dein Gepäck weglaufen."
Carys ließ nicht erkennen, ob sie begriffen hatte, dass diese Äußerungen scherzhaft gemeint waren. „Für all das kann ich nie zahlen."
Ihre Miene drückte keine Andeutung dafür aus, dass sie an einen Weg dachte, wie sie die Schulden begleichen könne, ohne ihre Einnahmen dazu verwenden zu müssen, aber auch keinen Abscheu, nur eine Mischung aus Staunen, Dankbarkeit und Ängstlichkeit. Als Deri ihr auf die Schulter klopfte, zuckte sie nicht zurück und wiederholte nur: „Für all das kann ich nie zahlen."
„Unsinn!" entgegnete er barsch. „Du bist sehr ignorant. Und ich befürchte, deine Partner haben dich auch betrogen. Die Kleidung ist nicht neu und war billig, weil heute der letzte Verkaufstag ist. Ich werde dir ein Kerbholz für die Kosten geben, und du kannst deine Rückzahlungen markieren, so dass du weißt, wann du schuldenfrei bist."
Dieser Vorschlag hatte nicht die Wirkung, die Deri erwartet hatte. Carys' Augen wurden noch größer, wenngleich das kaum möglich war. Sie wusste offensichtlich nicht, was ein Kerbholz war. Wut darüber, wie schlecht sie behandelt worden war, mischte sich mit Mitleid, so dass Deris Stimme harsch und brüsk klang, als er hinzufügte: „Geh und probier die Schuhe an. Wenn du sie nicht tragen kannst, nehme ich sie zurück und versuche, ein anderes Paar aufzutreiben, ehe der Händler seine Waren eingepackt hat."
Der verärgerte Ton des Zwerges veranlasste Carys, gehorsam zu nicken. Sie wusste jedoch sehr gut, dass Deri nicht wirklich böse auf sie war. Ihr gingen so viele verschiedene Gedanken durch den Kopf, dass sie dringend allein sein musste, und das Anprobieren der Schuhe - sie hatte keine Schuhe gesehen, aber wenn Deri sagte, dass welche da waren, dann würden auch welche da sein - war ein ebenso guter Grund wie jeder andere, zum Stall zurückzukehren, ohne weitere Umstände zu machen.
Sie hockte sich neben dem geöffneten Bündel hin, legte die grüne Tunika und die beiden Brayettes zur Seite und staunte offenen Mundes die Lederweste an, ohne sie jedoch genauer zu untersuchen. Schließlich fand sie die Schuhe und zog sie an. Sie waren zu lang, doch das spielte keine Rolle, da sie ausgestopft werden konnten.
Daher ging sie zum Eingang des Stalls und winkte.
Deri erwiderte ihr Winken und brach wieder zur Zugbrücke auf. Er lächelte und war zufrieden. Carys hatte begriffen, dass die für sie bestimmten Kleidungsstücke nicht als Bestechung gedacht waren, damit sie sich verkaufte.
An sich war sie viel zu verblüfft, um irgendetwas zu begreifen. Ein Gedanke kam ihr jedoch in den Sinn, auf den sie vorher noch nicht gekommen war, und das war, dass Deri vielleicht mit ihr als teilweisem Ausgleich für das, was er ihr mitgebracht hatte, schlafen wollte.
Als sie in den Stall zurückging, berührte sie keines der anderen Kleidungsstücke oder probierte es gar an. Sie sank neben dem Kleiderbündel nieder und legte die Hände an den Kopf, als müsse sie ihn festhalten.
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