0320 - Der Fluch von Babylon
Für diesen Abend und die folgende Nacht habe ich mir etwas Besonderes einfallen lassen. Es sind nicht nur die Gefangenen des auserwählten Volkes, die sterben werden, auch andere. Menschen aus deiner Zeit, aus der Zukunft, die Okastra sich geholt hat. Ahnst du etwas, Mann mit dem Kreuz?«
Er hatte mich direkt angesprochen und auf Menschen aus der Zukunft hingewiesen. Nun, es gab zahlreiche, die in der von Baal aus gesehenen Zukunft lebten. Wenn er mir allerdings so kam, handelte es sich um bestimmte Menschen.
Ich dachte daran, wer alles noch in den Fall hineingezogen worden war. Einmal die beiden Basken. Sie waren tot, dann der Bürgermeister von Campa, Romero Sanchez. Über sein Schicksal wußte ich nichts, aber es gab da noch eine Person, die ich in Campa kennengelernt hatte.
Eine Frau mit Namen Claudia Darwood.
Mich hatte die Spur zu Baal geführt. Weshalb sollte das gleiche nicht auch mit Claudia geschehen sein?
»Ist es eine Frau?« erkundigte ich mich.
»Das stimmt.«
»Kennst du ihren Namen, Baal?«
»Nein, aber sie wird ihr Blut für mich geben.«
Ich begann damit, Claudia zu beschreiben. Die langen rötlichen Haare, das Gesicht…
Baal gab mir recht. »Ich sehe schon, daß du die Frau kennst, John Sinclair. Sie ist es tatsächlich, die auf dem Opferaltar liegen wird, neben einem Mann, der anders aussieht als du. Seine Augen sind schmal wie Schlitze.«
»Suko!«
»So kann er heißen. Ich habe noch nie einen Menschen dieser Rasse auf dem Opferaltar gehabt. Es ist das erste Mal, und ich werde besonders gut zuschauen, wenn er stirbt.«
Die letzten Worte hatte ich überhaupt nicht gehört, denn meine Gedanken beschäftigten sich mit dem Chinesen.
Suko befand sich in den Klauen dieses Götzen. Ein unerklärliches Phänomen, ich kam da nicht mit, denn wie konnte es Baal gelungen sein, ihn in die Falle zu locken?
Außerdem befand sich Suko in London. Wenigstens hatte man mir das vor meiner Abreise nach Spanien mitgeteilt.
Irgend etwas war da völlig anders gelaufen, als ich es gedacht hatte.
Baal mußte meine Verwirrung bemerkt haben, denn er begann zu lachen.
»Ja«, sagte er, »es hat sich einiges verschoben. In dieser Welt wirst du keine Chance mehr bekommen, und auch deine Freunde nicht, deren Blut die Steine des Altars tränken wird. Zur Ehre des großen Baal. Wenn du bei ihnen sein möchtest, werde ich dich hinschaffen. Du brauchst es mir nur zu sagen.«
Das war eine Falle. So leicht machte es mir ein Götze wie Baal nicht.
Der hielt noch einen Trumpf in der Hinterhand versteckt. »Da es meine Freunde sind, würde ich sie gern sehen«, erklärte ich.
»Gut, dann wirf dein Kreuz weg!«
Das also war der Fallstrick. Ich sollte das Kreuz fortschleudern, meine einzige starke Waffe, damit ich mich in die Hand des Götzen Baal begeben konnte.
Da hatte er sich verrechnet.
»Nein!« rief ich laut. »Ich werde es nicht aus der Hand geben, Baal. Ich behalte das Kreuz. Es ist die Hoffnung, der einzige Trumpf und auch die Waffe, vor der du zurückschreckst. So ist es doch, nicht wahr, du verfluchter Götze?«
»Die Lager der Gefangenschaft sind gewaltig und über das gesamte Reich Babylon verteilt. Du wirst keine Möglichkeit haben, deine Freunde zu finden. Sollte es dennoch geschehen, ist ihr Blut längst auf dem Lehmboden eingetrocknet. Ich habe dir eine Chance gegeben, du hast sie nicht genutzt. Deshalb werde ich dich allein lassen. Ich habe meinen Dolch wieder, und diese Klinge wird es sein, die deine Freunde tötet. Als schwarzmagische…«
Sein letztes Wort. Danach löste er sich auf, und auch der Dolch verschwand vor meinen Augen.
Allein blieb ich zurück.
Frei und dennoch gefangen…
***
Suko wußte nicht, ob die anderen die gleichen Gefühle gehabt hatten wie er. Der Inspektor jedenfalls fühlte sich wie neu geboren.
Er war der Magie Okastras zum Opfer gefallen, aber man hatte ihn nicht getötet.
Der Chinese lebte!
Dies empfand er schon als sehr positiv. Und weiterhin freute es ihn, daß er keinerlei Schmerzen verspürte. Nur ein taubes Gefühl, das sich in seinem Schädel breitgemacht hatte.
Und er stand auf den Füßen.
Sofort wollte Suko nach vorn gehen. Im selben Moment spürte er an seinen Handgelenken einen beißenden Schmerz. Dort schnitten dünne Fesseln scharf in die Haut, und zum erstenmal stellte Suko fest, daß er angebunden war. Die gleichen Schmerzen strahlten durch seine Füße.
Sie waren ebenfalls gefesselt.
Der Inspektor mußte sich zunächst einmal
Weitere Kostenlose Bücher